Der blaue Rückpass (9): Manni Wagner
Der Kult-Sechzger über die Wut der Meisterlöwen auf die aktuellen Nicht-Kämpfer. Und was 1860 von den Bayern lernen kann.
AZ: Herr Wagner, Sie spielten Ihre ganze Karriere, von 1958 bis 1971, nur beim TSV 1860. Wie wichtig war diese Zeit für Ihr Leben?
MANNI WAGNER: Das war ein ganz großer Lebensabschnitt für mich. Ich bin ja durch und durch ein Löwe, schon immer blau gewesen. Ich bin mit 15 Jahren zu Sechzig gekommen und hab alle Mannschaften durchgespielt, bis zum Schluss die Traditionsmannschaft. Ich war 13 Jahre bei den Blauen, nur Michi Hofmann hat mehr Spiele für die Löwen als ich und ist jetzt Rekordspieler bei Sechzig. Er hat jetzt nach 13 Jahren seinen Vertrag nochmal verlängert und damit überholt er mich. Ich bin jetzt 70 und habe das gleiche Gewicht wie früher. (lacht) Ich halte mich fit, gehe viel in die Berge, auch wenn alles im Alter etwas langsamer wird.
Was haben Sie nach der Fußballkarriere gemacht?
Ich war im Außendienst eines großen Reifenhändlers und war dort für den Umsatz zuständig. Trainer wollte ich nie werden nach der Karriere.
Welche Titel haben Sie denn alle mit 1860 gewonnen?
Süddeutscher Meister 1963 und der war ja damals Voraussetzung, dass wir überhaupt in die Bundesliga reinkamen. 1964 waren wir Deutscher Pokalsieger, 1965 war das Europapokalendspiel in Wembley, ’66 Deutscher Meister und ’67 Deutscher Vizemeister.
Ihr Trainer war damals Max Merkel. Was glauben Sie waren die Unterschiede zum Training heute?
Damals wurde viel mehr trainiert. Wir haben unter Max Merkel achtmal trainiert in der Woche, sind donnerstags ins Trainingslager gefahren bis Samstag zum Spiel und manchmal, wenn es dumm ausging, dann hat er uns auch noch bis Sonntag im Trainingslager behalten. Merkel war einer der ersten, der ein Trainingslager überhaupt eingeführt hat.
Was war sonst noch anders zu den Profis von heute?
Die Bezahlung. Im Monat bekamen wir 1200 D-Mark. Das war der Vertrag, dann hat es noch Siegprämie von 200 bis 300 Mark gegeben und teilweise ein Handgeld, was wir selber aushandeln mussten. Damals war an Berater noch nicht zu denken.
Trainiert wurde damals schon an der Grünwalderstraße. Wieviele Fans und Kiebitze kamen regelmäßig dorthin?
Das Löwenstüberl gab es damals noch nicht, aber es kamen auch damals schon Fans zum täglichen Training. (lacht) Nachdem wir immer Spitze waren in der Tabelle, kamen in den fetten Jahren von 1963-1967 schon auch viele Fans regelmäßig zum Training.
Wie oft gehen Sie heute zu den Spielen der Löwen, wie oft sind Sie beim Training draußen?
Ich sehe fast jedes Heimspiel und fahre auch auswärts ein, zwei mal mit meiner Frau mit. Einmal in der Woche fahre ich zum Trainingsplatz, weil da mache ich meinen Rundgang, schaue in der Geschäftsstelle vorbei, beim Kartenvorverkauf und im Fanshop, beim Training gucke ich nicht so intensiv zu.
Sie sind Löwe durch und durch. Wie sehr schmerzt der Niedergang in den letzten Jahren?
Das tut schon sehr weh, wenn man das sieht. Leider kann ich nicht aktiv helfen, damit es besser wird.
Woran liegt es?
Es liegt an der Qualität des Kaders und an der Qualität jedes einzelnen Spielers in den letzten Jahren. Jetzt hoffe ich, dass es aufwärts geht mit Stevic und Lienen. Und ich hoffe, dass der Johnson bleibt, aber das ist halt das jahrelange Problem bei Sechzig. Es ist kein Geld da. Aber schlechter wird es nicht, denk’ ich. Ich rede jetzt nur vom sportlichen Bereich.
Was lief in der Führungsetage die letzten Jahre falsch?
Von den Führungskräften da hat sich 1860 die letzten 20, 30 Jahre so blamiert. Die waren nicht fähig, einen ehemaligen Spieler zu integrieren ob das jetzt damals einer von unserer Meistermannschat war wie ein Radenkovic – oder später ein Max oder Winkler. Es gibt keinen Verein, der so wenig Spieler integriert hat, wie Sechzig. Das werfe ich allen früheren Präsidenten vor. Das haben die Roten einfach besser gemacht. Das muss man als Blauer neidlos anerkennen. Die Bayern können wir da seit 20 Jahren als Vorbild nehmen.
Was halten Sie von einem Herrn Stoffers?
Den kann ich schwer einschätzen. Aber ich finde man muss den Leuten eine Chance geben. Sportlich wird es sicher besser, weil noch schlechter kann es nicht werden. Wir haben ja letzte Saison Glück gehabt, dass wir nicht abgestiegen sind. Aber Lienen und Stevic sind ein gutes Duo und Lienen hat genug Erfahrung. Aber uns Meisterlöwen hat was ganz anders geärgert.
Was denn?
Die waren spielerisch mit eine der schwächsten Mannschaften und dann können die nicht mal mehr kämpfen und fighten.
Wie halten die Ex-Kollegen von 1860 Kontakt?
Fast alle Generationen von Heiß und Radenkovic bis Max und Winkler treffen sich immer vor den Spielen im VIP-Raum bei Sechzig oder am Trainingsplatz – und das ist immer sehr schön. Ich habe ja bis vor zwei Jahren mit dem „Bubi“ Bründl die Traditionsmannschaft gemanagt und teilweise noch gespielt. Wir halten schon sehr gut den Kontakt zu allen Ex-Spielern. Das Familiäre war ja bis heute das Schöne an 1860.
Ein Wechsel zu den Roten war immer undenkbar für Sie, oder?
Niemals. Ich war von Kindheit an ein Blauer. Ich habe zwar immer einen guten Kontakt gehabt zu deren Spielern damals, das waren lauter nette Kerle. Aber das wär mir nie in den Sinn gekommen, dass ich zu Bayern gehe. Aber es ist auch so, dass man die Sache respektieren muss, dass die halt was draus gemacht haben. Wir waren zuerst vorne und waren in München die ersten, die in der Bundesliga vorne waren. Aber wir haben nichts draus gemacht.
Hätten Sie es gerne gesehen, dass 1860 wieder ins Grünwalder Stadion einzieht?
Das Stadion muss 1860 erhalten bleiben. Der Stadtratsbeschluss für einen Abriss ist noch nicht vom Tisch – und der muss dringend vom Tisch. Momentan ist es ja so, dass vom DFB nur die zweite Mannschaft und die U19 dort spielen darf. Generell gilt, dass sich 1860 die Allianz Arena auf die Dauer in der Zweiten Liga nicht mehr leisten kann. Wichtig wäre der Aufstieg in die Bundesliga und das Grünwalder Stadion für die Amateure unbedingt erhalten. Oder einen Ölscheich finden, der Sechzig ein Stadion baut. (lacht)
Interview: Reinhard Franke