Der blaue Rückpass (15): Hansi Reich

Meister-Löwe Hansi Reich über verweichlichte Profis, die Fehler bei 1860 und seine Erwartungen an den neuen Coach Ewald Lienen.
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Der verstorbene Timo Konietzka (vorne) mit den Meisterlöwen Hansi Reich (2. v.l.
, Peter Grosser, Rudi Bunnenmeier (verstorben 2004), Hans Rebele (v .l.), Manni Wagner.
dpa Der verstorbene Timo Konietzka (vorne) mit den Meisterlöwen Hansi Reich (2. v.l. , Peter Grosser, Rudi Bunnenmeier (verstorben 2004), Hans Rebele (v .l.), Manni Wagner.

Meister-Löwe Hansi Reich über verweichlichte Profis, die Fehler bei 1860 und seine Erwartungen an den neuen Coach Ewald Lienen.

AZ: Herr Reich, Sie haben von 1953 bis 1969 bei 1860 gespielt, waren dann fünf Jahre weg und zum Abschluss Ihrer Karriere noch mal zwei Jahre an der Grünwalderstraße. Sie haben mal gesagt „Die Löwen waren immer mein Verein“.

HANSI REICH: Wenn du 11 Jahre in der ersten Mannschaft gespielt hast, dann kannst du das sagen. Mein Trainer war damals Max Merkel und es war einfach eine sehr sehr schöne Zeit.

Sie sind Münchner, sind in Giesing aufgewachsen.

Ich bin in Untergiesing aufgewachsen und es hat in München damals nur Sechzig und Bayern gegeben. Dann bin ich halt zu den Löwen gegangen. Das weiß man schon mit 11 Jahren (lacht). Fußball war schon immer meine große Liebe. Heute lebe ich mit meiner lieben Frau in Waldperlach, meine beiden Söhne sind schon außer Haus.

Nach der Karriere hatten Sie mit Fußball nicht mehr viel zu tun. Warum?

Ich hab noch bei Amateurvereinen gespielt (in Rosenheim und Perlach, d. Red.), aber hab dann aufgehört mit dem Fußball, weil ich einfach nicht mehr wollte. Ich war danach 25 Jahre bei der Stadt München beschäftigt, war dort drei Jahre in der Zulassungsstelle und anschließend über 20 Jahre in der Abteilung „Hausnummerierung/Straßenbenennung“. Alles, was in München neu gebaut worden ist, ist über meinen Schreibtisch gegangen. Das war ein echt schöner Job.

Trainer war nicht Ihr Ding?

Ich habe nach meiner aktiven Laufbahn ganz kurz Trainer in Salzburg gemacht, habe aber da gemerkt, dass die Art der Spieler nicht mit meiner Einstellung übereinstimmt. Ich habe immer von Herzen gern Fußball gespielt und wollte immer gewinnen, aber die Spieler musstest du ja direkt bemuttern, damit die laufen.

Wie meinen Sie das?

Damals wie auch heute gilt: Die Spieler sind viel zu sensibel und jedes Wehwehchen wird sofort als Grund für eine Leistungskrise genommen. Die Spieler waren damals, als ich kurz Trainer war, schon wie kleine Kinder. Immer dieses Rumgejammer „Der Trainer redet nicht mit mir“ - das hat mir nicht getaugt.

Wie sehen Sie die Spielergeneration heute? Wird den Spielern zu viel abgenommen?

Ich habe mein Leben lang gerne Fußball gespielt und immer die richtige Einstellung gehabt zu dem Beruf. Die Spieler wollen heute alle viel Geld verdienen, aber beschweren sich dann „der Wind kommt von links“ oder „der Rasen ist zu hoch“. Wenn ich heute schon höre „ich bin im Kopf blockiert“. Alles Schmarrn. Wenn sie Vertragsverhandlungen haben, dann sind sie nicht im Kopf blockiert.

Ihre Kritik gilt Daniel Bierofka wohl kaum, oder?

Nein, er ist ein guter Junge und hat den Löwen im Herzen. Obwohl der auch selten gespielt hat heuer. Aber wenn ich mir den Rösler anschaue, der kommt bei Gladbach nicht mehr zum Zug, wechselt zu den Löwen und braucht dann fünf Monate, bis er fit wird und braucht einen Psychologen. Aber wenn er am Monatsende sein Geld kassiert, dann braucht er keinen Psychologen. Das ist genauso, wenn ein Journalisten jeden Monat bei der Abendzeitung sein Geld kassiert, aber wenn er dann einen Artikel schreiben muss, dann sagt er „moment mal ich bin im Kopf blockiert“.

Was stört Sie noch am heutigen Profifußball?

Die Einstellung zum Beruf Profifußballer war früher eine ganz andere. Wir haben früher 60, 70 Spiele gemacht ohne Auswechslung. Hat sich einer beschwert? Nein. Bei uns hat es nur Geld gegeben, wenn man gewonnen oder gespielt hat. Heute bekommt doch jeder Spieler, der halbwegs geradeaus laufen kann, einen Profivertrag. Der Verein interessiert doch den Spieler gar nicht. Wenn wir früher drei Spiele am Stück verloren haben, dann haben wir das Messer zwischen den Zähnen gehabt und gesagt das nächste gewinnen wir. Aber die Löwen heute bleiben elf Spiele hintereinander sieglos und es kommt von denen nur blablabla. Die Spieler heute sind nur noch Dampfplauderer.

Ist das auch ein Grund für den Misserfolg bei Sechzig die letzten Jahre?

Was mich hauptsächlich stört, ist, dass die Spieler keine ordentliche Leistung abliefern. Wenn man am Ende des Monats Geld will, muss man eine gescheite Arbeit abliefern. Das kann man doch wohl verlangen. Ich könnte einige Spieler in der aktuellen Löwen-Mannschaft aufzählen, aber dann würden die nie wieder aus der Kabine kommen, weil Sie sich schämen müssten. Die fahren heute Weihnachten in Urlaub, kommen wieder und jammern, dass es ins Trainingslager in die Sonne geht. In Giesing ist es denen zu kalt, auf Teneriffa zu warm. Und wenn die zurückkommen, müssen sie ja erst wieder zu ihrer Linie finden.

Wo geht’s hin mit Sechzig?

Es kann ja nicht mehr schlechter werden. Wir spielen seit drei Jahren gegen den Abstieg das ist den meisten gar nicht bewusst. Aber dabei haben wir gar nicht so einen schlechten Kader. Dass man es nicht mal schafft, im Januar noch vier Punkte zu holen, dann ist da Ruhe. Stattdessen muss man bis zur letzten Halbzeit zittern, damit man nicht absteigt. Das kann nicht sein. Das ist mir ein Rätsel.

Sind Sie denn bei den Heimspielen im Stadion und treffen Sie noch die alten Kollegen aus der Meister-Mannschaft?

Ja ich fahre zu jedem Heimspiel raus und wir treffen uns regelmäßig. Jeder hat sein Berufs- und Familienleben und da entstehen selten ganz enge Freundschaften. Jeder geht da seine Wege, wenn Familie da ist, aber man freut sich, wenn man sich trifft und wir verstehen uns alle nach wie vor gut und das ist ja das Wichtigste. Aber einen muss ich schon gar nicht mehr sehen.

Wen denn?

Na den Wildmoser senior. Der ist nicht mein Typ. Ich habe nichts gegen den, aber wir haben uns noch nie viel zu sagen gehabt. Ich würde mich mit jedem anderen über alte Zeiten unterhalten, aber mit dem Wildmoser nicht. Der Wildmoser hat damals seine Sachen für Sechzig gemacht: die einen sagen, es war gut, die anderen, es war schlecht.

Anderes Thema: Klappt es heuer mit dem Aufstieg für die Löwen?

Wenn wir mal einen vernünftigen Trainer haben, der Erfolg hat, dann kann es klappen. Bis jetzt hatten wir ja lauter Anfänger. Ich kenne den Lienen nicht, aber ich hoffe mal, dass es mit ihm ordentlich läuft, dass er den Spielern Taktik und Laufen beibringt - und dann läuft das auch wieder. Dann kommen auch die Zuschauer wieder ins Stadion, die Leute wollen ja Sechzig. Aber Mittelmaß in München will kein Mensch.

Interview: Reinhard Franke

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