Darum ist die Marke TSV 1860 ein Phänomen
München - Ob eine Übernahme durch Red Bull gut gewesen wäre für den TSV? Warum die vielen Skandale der letzten Jahre den Löwen nicht nur geschadet haben. Und ob Thomas Tuchel wirklich ein guter Nachfolger Jürgen Klopps als Markenträger beim BVB sein wird - darüber sprach die AZ mit Peter Ehm.
AZ: Herr Ehm, Sie sind Sportmarketing-Experte und Studienleiter an der Bayerischen Akademie für Werbung und Marketing. Was fällt Ihnen ein, wenn Sie an den TSV 1860 denken?
PETER EHM: Dass Löwen-Geschäftsführer Markus Rejek heute Vormittag bei uns in der Hochschule war und über die Marke 1860 gesprochen hat.
Wirklich? Und was hat er gesagt?
Dass der TSV aus der Vergangenheit lernen und eine stringente Marke bilden muss, um unabhängig von der Unkontrollierbarkeit des Tagesgeschäfts einheitlich und glaubwürdig aufzutreten.
Das klingt eigentlich nach einer Selbstverständlichkeit im heutigen Business.
Das stimmt. Wenn man aber an die vielen Personalwechsel der letzten Jahre auf allen Ebenen bei den Löwen denkt, war das gar nicht möglich. Deswegen erfährt der TSV auch so wenig Unterstützung aus Münchens Wirtschaft und Politik. Wenn ständig die Verantwortlichen wechseln, kann ein Klub kein nachhaltiges Netzwerk zu potentiellen Partnern aufbauen.
Also ist der TSV gefangen in seinem eigenen Dilemma der jahrelangen Erfolglosigkeit?
Es wurde über Jahre hinweg versäumt, eine klare Marke zu definieren, eine Philosophie, ein Slogan, der unverwechselbar für 1860 steht. 'Mia san mia' steht für den FC Bayern, 'Echte Liebe' für Borussia Dortmund. Das ziehen diese Klubs gnadenlos durch. So etwas fehlt den Löwen. Wenn du selbst nicht weißt, wer du bist, kannst du es auch nicht nach außen verkaufen.
Was steht denn aus Ihrer Sicht für die Marke TSV 1860?
Ein grandioses Markenzeichen, dass losgelöst vom sportlichen Erfolg noch immer tiefe Wurzeln hat. Das eigentliche Phänomen ist aber, dass die vielen Skandale der letzten Jahre dem Verein nicht nur geschadet haben, sondern sich daraus eine noch viel stärkere Emotionalität entwickelt hat, von der viele Bundesligisten nur träumen können.
Sie sagen also, dass die Skandale der Marke also noch geholfen haben?
Auf eine gewisse Art und Weise schon. Im Fußball ist eben nicht alles auf Gewinnmaximierung ausgelegt, sondern auf Erfolg – oder Misserfolg. Beides löst enorme Emotionen aus. Deswegen werden wirtschaftliche Erfolge immer sofort reinvestiert, um noch mehr sportlichen Erfolg zu haben.
Dann müsste Red Bull Leipzig doch bald der Top-Klub aus Erfolg und Emotionen sein. Denn investieren kann RB wie kaum ein anderer Klub. Gerade wurde ja erst bekannt, dass das Unternehmen sogar den TSV einst übernehmen wollte.
Da bin ich froh, dass es nie dazu gekommen ist. Ein künstlich aufgesetzter Marken-Turbo hätte zu 1860 nicht gepasst. Synthetik funktioniert bei einer solchen Traditionsmarke nicht. Der Löwe wäre verschwunden, es wäre eine Kunstmarke entstanden, die nichts mehr mit der Marke TSV 1860 gemein gehabt hätte.
Fällt Ihnen spontan noch einen Kombination ein, die nicht funktionieren könnte?
Die Verbindung zwischen Thomas Tuchel und Borussia Dortmund. Der BVB hat den Slogan 'Echte Liebe'. Tuchel und Echte Liebe? Das dürfte schwierig werden.