Chaos-Löwen: Verlieren, motzen, prügeln
München - Rodri sprang auf, als habe ihn der Leibhaftige persönlich mit dem Dreizack schmerzhaft gepiekt. Die Augen hasserfüllt, ging der Spanier auf Ersatzkeeper Stefan Ortega, der ihn mit einer wüsten Grätsche umgesenst hatte, zu. Dann holte er aus – und schlug zu! Es folgten Verbalinjurien auf unterstem Gossen-Niveau, ein weiteres Gerangel, ehe die Mitspieler die Streithähne trennen konnten. Der wutschnaubende Watschn-baum Ortega wurde zum Mütchenabkühlen auf einen Nebenplatz verfrachtet.
Ein handfester Skandal beim Training am Pfingstmontag. Frustentladung der gar nicht akzeptablen Art am Tag nach der peinlichen Darbietung beim 0:2 am letzten regulären Spieltag dieser Saison beim Karlsruher SC. Eine Klatsche, die den TSV 1860, der sich mit einem Sieg gerettet hätte, auf Platz 16 stürzte. Jetzt müssen sich die Löwen in der Relegation gegen Holstein Kiel vor dem Absturz in die Drittklassigkeit retten.
Eine symptomatische Szene für den Zustand der Löwen. Die Nerven liegen blank. Statt kratzen, beißen, kämpfen ist bei den Löwen im Abstiegskampf verlieren, motzen, prügeln angesagt. Trainer Torsten Fröhling will den Watschn-Skandal intern klären und versuchte, dem Vorfall Positives abzugewinnen. „Man sieht, dass es Explosionen in der Mannschaft gibt und alles nicht spurlos an der Mannschaft vorbeigeht.“
Seine Botschaft: die Mannschaft lebt. Davon war gegen den KSC nichts zu sehen. Im „Endspiel dieser Saison“ gelang gar nichts, die Löwen ließen sich regelrecht vorführen und schossen die Badener dabei sogar selbst in Führung. Kai Bülow unterlief in der 9. Minute ein Eigentor, ehe Manuel Torres die einseitige Partie in der 69. entschied. Keine Gegenwehr, kein einziger (!) Schuss aufs Tor – die beschämende Bilanz nach der Pleite, die fast mit dem direkten Abstieg bestraft worden wäre. Den Auftritt der Löwen als drittklassig zu bezeichnen, ist schon fast geschmeichelt.
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Die Spieler waren aber nicht die Einzigen, denen an diesem Tag das Niveau fehlte. Auch einige der 3000 mitgereisten Fans benahmen sich daneben. Während des Spiels wurden Böller, Raketen und Rauchbomben abgefeuert. Die Partie musste in der 2. Halbzeit wegen der Rauchschwaden unterbrochen werden. Nach dem Spiel gab es noch Schlägereien mit KSC-Fans, dabei wurden zehn Personen festgenommen, nach Polizeiangaben aber überwiegend Karlsruher Chaoten.
Doch immerhin meinte es das Schicksal mit den Löwen, die das ihre nicht selber in die Hand nahmen, gut. Aue verpasste einen Sieg in Heidenheim, glich nach 0:2-Rückstand nur noch zum 2:2 aus. Wegen der schlechteren Tordifferenz steht Aue als Absteiger neben Aalen fest. 1860 bekommt in der Relegation die letzte Chance auf den Klassenerhalt.
„Die Chance, die uns geschenkt wurde, müssen wir einfach nutzen. Auch wenn die Akkus fast leer sind. Jeder einzelne Spieler muss sich eingestehen, dass das viel zu wenig war. So darf man nicht auftreten“, sagte Kapitän Christopher Schindler und schimpfte nach dem Spiel. „Ich weiß nicht, was unter der Woche passieren muss – auf jeden Fall muss es intern knallen.“ Rodri und Ortega hatten ihn wohl falsch verstanden. . .
Doch es ist nicht die einzige brisasante Situation. Zwischen Präsidium und Investor herrscht Eiszeit, wie Gerhard Mayrhofer im „Blickpunkt Sport“ bestätigte: „Es gibt leider keinen Kontakt zu Ismaik. Das liegt aber nicht an uns.“ Investorenvertreter Noor Basha konterte: „Wir haben unsere Aufgabe erfüllt und warten auf unseren Partner.“ Partnerschaftlich wirkt fast nichts mehr bei den Chaos-Löwen. „Wenn die Saison beendet ist, muss man über Vieles sprechen, was nicht so gut gelaufen ist“, verkündete Mayrhofer.
Diese Diskussion dürfte Abende füllen. Doch erst gilt es, nicht für noch mehr Gesprächsstoff zu sorgen und zumindest den Abstieg zu verhindern. Das wird schwer genug angesichts dieser Chaos-Löwen.
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