"Als wir Europa eroberten"

Manni Wagner wurde mit den Löwen Deutscher Meister und spielte um den Europacup. Ein Leben ohne den TSV 1860 könnte er sich nicht vorstellen. In der AZ erinnert er sich an die Glanzzeiten.
von  Manni Wagner
Manni Wagner (rechts) im Finale des Europapokal der Pokalsieger 1964/65. Sein Gegenspieler ist Geoff Hurst.
Manni Wagner (rechts) im Finale des Europapokal der Pokalsieger 1964/65. Sein Gegenspieler ist Geoff Hurst. © imago

Im ersten Moment konnte ich nicht glauben, was ich da hörte. Ich wollte das nicht wahrhaben. Als ich die Pressekonferenz besuchte, bei der Dieter Schneider und Robert Schäfer die Zahlen auf den Tisch legten und erklärten, wie viel Geld sie brauchen, war ich geschockt. Auf einmal spürte ich sogar Wut in mir und dachte, das darf doch nicht wahr sein. Was jahrelang mit diesem Verein gemacht wurde, das war ja fast schon kriminell. Und jetzt müssen Schneider und Schäfer die schlimmen Fehler der Vorgänger ausbaden, aber ich denke mir: Wenn es jemand schaffen kann, dann die beiden. Endlich sind zwei Männer da, die wissen, was sie machen. Die beiden haben jetzt schon mehrere Millionen eingespart, das ist aller Ehren wert. Weiter so!
Seit diesem Hilferuf werde ich oft auf 1860 angesprochen. Die Leute auf den Straßen wollen nicht, dass der Verein untergeht, sie können nicht glauben, dass es so weit gekommen ist. Ich rede ihnen dann immer gut zu und versuche zu überzeugen, mal wieder ins Stadion zu kommen. Es gibt immer noch so viele Löwen-Anhänger, wenn ich allein an die fast 500 Fanclubs denke, da kann ich es nicht verstehen, dass nur noch so wenige Leute zu den Spielen gehen. Man darf den Verein nicht hängen lassen. Aber auch die Mannschaft muss dafür sorgen, dass die Leute wieder begeistert werden, die muss es schaffen, öfter so zu spielen wie gegen Karlsruhe. So ein Spiel kann für neuen Schwung sorgen, fünf Tore, das war eine tolle Leistung. Ich würde mich riesig Freude, wenn in den nächsten Spielen mehr Leute kommen. Ich werde auf jeden Fall wieder da sein. Die Spiele, die ich in den letzten Jahren verpasst habe, kann man an einer Hand abzählen.
Aber natürlich ist es heute auch etwas anderes als früher, ich kann mich noch gut erinnern an meinen ersten Besuch im Grünwalder Stadion. Ich war neun Jahre alt, als ich bei einem Spiel gegen Nürnberg unter der Uhr stand, fast 58.800 Zuschauer waren da. Das war ein bleibender Eindruck für mich.
Als 15-Jähriger bin ich dann selbst zu 1860 gegangen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wir haben in Obersendling gewohnt, mit dem Fahrrad ging’s durch Thalkirchen, am Tierpark vorbei zur Grünwalder Straße. Für meinen ersten Vertag gab’s 80 Mark im Monat. Ein paar Jahre später war ich in der Ersten Mannschaft, da begannen die schönsten Jahre meines Lebens. Wir gewannen den Pokal, wurden Deutscher Meister und eroberten fast ganz Europa, spielten im Wembley Stadion vor fast 100.000 Zuschauern gegen West Ham um den Europacup. An diesen Tag denke ich noch oft zurück, wir waren in ganz Europa bekannt, auch wenn wir verloren haben. Am Ende habe ich fast 330 Punktspiele gemacht, mit Freundschaftsspielen waren es sogar zwischen 650 und 700. Und dann später noch die ganzen Traditionsmannschaften, als ich schon 67 war, habe ich immer noch ein bisschen mitgespielt. Einmal Löwe, immer Löwe. Darüber bin ich richtig froh und auch stolz.
Aber jetzt ist die Lage eine andere. Seit ein paar Tagen bin ich angespannt, aber ich habe gemerkt, dass sich mein Schock in Optimismus gewandelt hat. Jetzt in dieser Situation muss doch den meisten Leute klarwerden, wie wichtig 1860 für München ist. Jetzt müssen die vielen Großfirmen und reichen Menschen merken, dass der Stadt ohne die Löwen ein ganz wichtiger Bestandteil fehlen würde. Der Verein ist immer noch ein schlafender Riese, man muss nur Vertrauen haben. Ich könnte mir München ohne 1860 nicht vorstellen. Ich wohne jetzt in Germering, mein ganzes Leben habe ich in München verbracht. Ohne die Löwen wäre die Stadt nicht mehr die gleiche. Aber daran will ich nicht denken. Ich behalte meinen Optimismus. Wenn es irgendwo einen Lichtstreif gibt, dann glaube ich daran, dass wir es schaffen.

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