1860: Stoffers schreibt über einen bissigen Hund

Hier schreibt 1860-Geschäftsführer Manfred Stoffers an die AZ – über Vorurteile: „Ich werde die Wahrheit über die Löwen-Fans in die Köpfe träufeln, notfalls hämmern.“
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Löwen-Geschäftsführer Manfred Stoffers
firo/Augenklick Löwen-Geschäftsführer Manfred Stoffers

Hier schreibt 1860-Geschäftsführer Manfred Stoffers an die AZ – über Vorurteile: „Ich werde die Wahrheit über die Löwen-Fans in die Köpfe träufeln, notfalls hämmern.“

Liebe Abendzeitung,

Sie fragten nach einem Vorwort fürs Neue Jahr. Als ich darüber nachdachte, fiel mir ein Witz ein, den ein älterer Herr, noch älter als ich, in bierseliger Runde zum Besten gab.

„Zwei Jungen spielen am Isarufer Fußball. Plötzlich wird der eine von einem Rottweiler angegriffen. Der Rottweiler verbeißt sich ins Bein des Jungfußballers. Der andere Junge greift blitzschnell einen Knüppel, steckt ihn hinter das Halsband des Hundes und dreht den Stock solange, bis der Bestie die Luft ausgeht und sie röchelnd zu Boden geht. Das war Rettung in letzter Sekunde.

Ein Journalisten, der die mutige Rettungsaktion gesehen hatte, rennt sofort zu dem jungen Helden, um ihn zu interviewen. Er schlägt seinen Block auf und schreibt: „Dem Tod entronnen: Junger Bayern-Fan rettet Freund vor wilder Bestie." Der junge Retter wendet ein: „Aber ich bin doch gar kein Bayern-Fan.“ Der Journalisten registriert dies und notiert blitzschnell: „Haching-Fan rettet Bein vor Hundebiss.“ Es passt immer noch nicht. „Aber ich bin auch kein Haching-Fan." – "Ja Herrgottszeiten, für welche Mannschaft bist du dann?“ – „Für die Sechzger!“ Schlagzeile am nächsten Tag: „Asozialer Giesinger erwürgt Welpen!"

Tja, liebe Abendzeitung, da hat uns die Vorurteilskeule beide knallhart getroffen. Was sind die zentralen Botschaften dieses Witzes? Egal, wie sie wirklich sind und was sie tun, Löwenfans sind von Geburt an Gratler. Und: Alle Journalisten schreiben nicht die Wahrheit, sondern bedienen die tief verwurzelten Vorurteile ihrer Leser. Das Vorurteil gegenüber den Journalisten interessiert mich im Augenblick nicht besonders. Aber woher kommt das Vorurteil in Bezug auf die Löwenfans? Von uns selber sicher nicht. Natürlich von unserem Gegner aus der Nachbarschaft oder weiter weg. Der Witz ist nicht neu, er ist mindestens so betagt wie derjenige, der ihn mit Gelächter erzählte. Er stammt aus der Vor-Uli-Zeit in der Geschichte unseres Nachbarvereins.

Die Löwen hatten damals alles, was den anderen fehlte, nämlich Erfolg, Ruhm und eine riesige Anhängerschaft. Natürlich haben die Löwen ihre Überlegenheit damals stolz, gelegentlich auch überheblich zelebriert. Wie hält man es neben einem solchen Münchner Erfolgs-Urviech aus? Nur mit Witzen über ihn, je böser desto besser. Allerdings geht der Witz nicht auf Kosten der Fußball-Profis, sondern auf Kosten der Fans. Wenn man den Gegner zur lächerlichen Figur abstempelt, lebt es sich mit den eigenen Unzulänglichkeiten leichter.

Die triste Lage unserer Nachbarfans ist Vergangenheit, geblieben ist der Witz und mit ihm das verletzende Vorurteil gegenüber uns Löwen. Das sollte sich im Jahr 2010 ändern. Ich für meinen Teil werde alles daran setzen, die Wahrheit über die Löwenfans in die Köpfe zu träufeln, und wenn es nicht anders geht, es notfalls hinein zu hämmern.

Sollte das nicht klappen, müsste der Witz von den kickenden Buben und dem bissigen Rottweiler im Sinne der ausgleichenden Gerechtigkeit in Zukunft um einen dritten Jungen bereichert und die Pointe so erzählt werden:

Der Journalisten notiert: „Asozialer Giesinger erwürgt Welpen!" Dann schaut er sich nach dem dritten Jungen um. Er entdeckt ihn, auf einer Telefonzelle kauernd. „Und, was sagst Du dazu?“, fragt er ihn. „Ja mei, was war schon dabei. Ich hätt’ das ganz anders gemacht." - „Bist Du auch ein Sechzger?“ - „Nein, im Leben nicht." – Die Notiz des Journalisten: „Killer-Bestie: Junger Bayern-Fan war dicht dran." Weil ihm die Eierei zwischen den Vorurteilen zu lästig wurde, gab der Journalisten seinem Bericht letztendlich den Titel: „Bein gerettet! Bestie tot!"

Wenn wir die Vorurteile schon nicht abbauen können, müssen wir sie eben genießen. Ich wünsche Ihnen ein gutes Neues Jahr!
Manfred Stoffers

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.