1860: Niemann, der Anti-Stoffers

Der neue Löwen-Geschäftsführer hält nichts von provokanten Sprüchen und forschen Aktionen, wie sie sein Vorgänger mochte. Er will „die Marke 1860 international positionieren“ – aber wie?
BAD HÄRING In der kommenden Woche wird es in München ein Treffen zweier Männer geben, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Dann setzen sich Manfred Stoffers und Robert Niemann an einen Tisch und reden. Über die Löwen. Der eine, Stoffers, wird davon erzählen, wie er versucht hat, 1860 mit forschem Auftreten, provokanten Sprüchen und einer mutigen Klage gegen den FC Bayern aus dem finanziellen Schlamassel zu befreien. Sein Gegenüber, Robert Niemann, wird genau zuhören und merken, dass seine Strategie eine völlig andere sein wird: Robert Niemann, ab Montag neuer Geschäftsführer der Löwen, ist der Anti-Stoffers.
Während sein Vorgänger schon beim Antritt große Pläne für die Zukunft der Sechzger verkündete und in Sachen Eigen-PR um keinen Spruch verlegen war („Ich bin kein selbstloser Mensch, ich will beweisen, dass ich es kann. Das ist ein rein egoistisches Motiv"), setzt Niemann auf moderate Gangart: auf Nachhaltigkeit durch Vertrauen, auf Vertrauen durch Kontakte und auf Kontakte durch Gespräche.
Bei seiner Vorstellung im Trainingslager in Bad Häring (Tirol) trat er besonnen auf, redete in langen Sätzen, Antworten dauerten manchmal Minuten, er schien bei jedem Satz zu überlegen, wie er seine Ideale vermitteln kann. Doch er wagte sich keinen Millimeter zu weit nach vorn.
Während Stoffers Türen einrannte, sucht Niemann erst den Schlüssel und dann das Schloss.
Wie er zum Beispiel den FC Bayern dazu bringen will, die Löwen entweder zu günstigeren Konditionen in der Arena weiterspielen zu lassen oder sie ganz aus dem Stadionvertrag herauszulassen, das will der neue Geschäftsführer noch nicht verraten – oder weiß er es noch nicht?
„Erst mal werde ich mich in die Verträge einlesen. Dann werden wir Szenarien durchrechnen. Dann werde ich mich mit den Fan-Vertretern treffen, um bestens vorbereitet in die Gespräche zu gehen", kündigt er an. „Die Thematik ist so relevant, dass sie zwingend zeitnah angegangen werden muss." Einen Termin hat er nicht verraten.
Niemann nennt die Stadionfrage sein „Kernproblem" und den „ersten großen Schritt seiner Aufgabe". Er geht davon aus, aufgrund seiner in der DFL-Zeit entstandenen Kontakte beim FC Bayern „empfangen zu werden. Ich denke, man wird uns zuhören und für eine konstruktive Lösung offen sein."
Der neue Geschäftsführer denkt und hofft und plant also – doch wird er gleich mal mit einer negativen Überraschung konfrontiert. Laut „Sport-Bild“ schuldet 1860 den Bayern nach dem verlorenen Catering-Prozess nicht wie angenommen 542344 Euro, sondern fast das Sechsfache: rund drei Millionen Euro.
„Dem Verein geht es schlecht. Das weiß jeder. Ich werde alles dafür tun, um möglichst viel Geld zu beschaffen. Nur so kann ich dem Verein helfen", sagt Niemann, der trotz aller heiklen Finanzsorgen schon an die kommenden Jahre denkt. „In drei Jahren", sagt er, „sehe ich uns als stabilisierten Verein, der finanziell überlebensfähig und flexibel ist." Er spricht sogar davon, die „Marke 1860“ international etablieren zu wollen: „Auch ein zweiter Verein aus München hat die Chance, sich weltweit zu positionieren."
Doch erst mal muss er die Löwen am Leben erhalten. „Das wird schwierig genug." Wie er das schaffen will, hat er gestern noch nicht verraten – und auch sonst kaum etwas.
Marco Plein