1860: Lienen spricht von Rufmord

Löwen wehren sich dagegen, in die Nähe eines neuen Wettskandals gerückt zu werden. Der Coach attackiert den DFB: „Wo leben wir, dass Unschuldige an den Pranger gestellt werden?
AZ: Herr Lienen, laut einer Pressemitteilung des DFB gibt es Hinweise, dass die Zweitliga-Partie des TSV 1860 gegen Rot-Weiß Ahlen (0:1) möglicherweise manipuliert sein könnte. Können Sie diesen Verdacht nachvollziehen?
EWALD LIENEN: Ich hab mir das Spiel am Montag nochmal angeschaut. Jeder, der die Partie im Fernsehen oder im Stadion gesehen hat, kommt nicht ansatzweise auf die Idee, dass weder Ahlen noch 1860 nicht gewinnen wollte. In der DFB-Pressemitteilung steht ja auch drin, dass es keinerlei Auffälligkeiten auf dem Wettmarkt gab. Es wurden auch keine hohen Einsätze auf dieses Spiel gesetzt. Für mich ist das alles sehr nebulös.
Trotzdem schürt diese Pressemitteilung Verdachtsmomente auch gegen 1860.
Das ist ja das Traurige. Was sich da abspielt, ist nur noch abenteuerlich. Ich kann so eine Meldung nicht streuen, wenn es keine hieb- und stichfesten Beweise gibt. Das ist für mich eine klare Verletzung der Sorgfaltspflicht. Bis jetzt steckt da nicht ein Funken Wahrheit drin.
Die Folge aus Ihrer Sicht?
Der Ruf des TSV 1860 und seiner Spieler wird beschädigt. Das ist eine Sauerei. Bei uns in Deutschland kann einfach jemand was behaupten – und schon wird einer wie eine Sau durchs Land getrieben. So geht der Fußball kaputt.
Nun, ganz so willkürlich und grundlos hat der DFB ja womöglich auch nicht agiert. Der DFB bezieht sich auf die Uefa, die wiederum auf das Kontrollinstrument „Sportradar“. Schon das Zweitliga-Duell der Löwen in Oberhausen, das 1860 vor der Winterpause 1:0 gewann, stand unter Verdacht der Manipulation.
Das war doch genauso lächerlich. Stefan Aigner köpft dem Oberhausener Abwehrspieler (Marinko Miletic, d. Red.) auf den Hinterkopf – und dann lag der Ball im Netz. Ihn dann zu verdächtigen, ist eine bodenlose Frechheit.
Der Verdacht beim Oberhausen-Spiel bestand vor der Partie, weswegen die Kontrolleure vor Anpfiff in die Kabine gekommen waren, um die Spieler zu warnen.
Dann schauen Sie sich Osnabrücks Thomas Reichenberger an. Der wurde vor ein paar Monaten verdächtigt, auf Spiele seines Klubs gewettet zu haben – nachgewiesen wurde ihm bis heute nix. Aber der Lack ist angekratzt. In welcher Welt leben wir eigentlich, dass unschuldige Menschen an den Pranger gestellt werden? Ich kann das Vorpreschen des DFB nicht verstehen. Jeder, der sowas veröffentlicht, muss damit rechnen, dass juristische Schritte eingeleitet werden. Wir leben in einem Rechtsstaat. Man muss schon sehr gute Argumente haben, sonst ist man schnell in der Ebene des Rufmords.
Interview: Oliver Griss