Interview

1860-Kultfan Pearce: "Ich hab’ mir nur gedacht: Jetzt verkack’s bloß nicht!"

Mit Claudia Pichler ist der Münchner Comedian als Stadionsprecher eingesprungen – und musste dabei seine Tränen unterdrücken.
Thomas Becker |
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Zwei für 60: Simon Pearce mit Claudia Pichler am Stadionmikro.
Zwei für 60: Simon Pearce mit Claudia Pichler am Stadionmikro. © sampics
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AZ: Herr Pearce, kaum sind Sie im Urlaub, ruft auch schon wieder die Abendzeitung an...
SIMON PEARCE: Das ist schon okay. Für die Löwen darf man mich sogar im Urlaub anrufen.

Sie müssen natürlich von Ihrem ersten Mal erzählen, vom Aushilfsjob als Stadionsprecher des TSV 1860. Gemeinsam mit Kabarett-Kollegin Claudia Pichler haben Sie am Samstag den urlaubenden Sebastian Schach vertreten. Wie war’s?
Sehr aufregend, aber sauschön. Vorher ist mir ganz schön die Düse gegangen, daheim schon. Als ich dann zum Stadion gefahren bin, hab’ ich mir extra Kopfhörer rein getan, weil schon die ersten Fans unterwegs waren und ich so in einen Tunnel kommen wollte, wie vor einem Auftritt, wenn ich allein Backstage bin. Das war schon krass, so allein im leeren Stadion. Ich hab’ dann erstmal die VIP-Lounge Giesing gegrüßt, weil ich wusste, dass da mein Spezl noch beim Frühstücken hockt.

Pearce geht schon seit 40 Jahren zu den Löwen

Wie hat sich das dann angefühlt, mit dem Stadion-Mikro in der Hand zu 15.000 Fans zu sprechen?
Ich durfte die Mannschaftsaufstellung machen, und als ich da im Mittelkreis stand, dachte ich nur: ‘Jetzt verkack’s nicht!’ Meine größte Angst war, dass ich - wie sonst immer - den Nachnamen mitschreie.

Seit wann gehen Sie schon ins Stadion?
Seit ich sechs bin, also fast 40 Jahre. Bayern-Liga war das noch. Mein Bruder, der ja bei den Löwen arbeitet, schrieb mir kurz vor Anpfiff noch: ‘Papa schaut bestimmt zu. Er wäre stolz auf dich.’ Dabei war ich emotional eh schon am Limit! Jetzt bloß nicht heulen! Es kommt auch jetzt erst so richtig an.

"Sechzig steigt in die Regionalliga ab, und seitdem ist der Spirit nochmal krasser"

Ihr verstorbener Vater hatte Sie zum ersten Mal mit ins Grünwalder genommen?
Klar, Löwen-Fan wird man meistens nicht freiwillig. Aber ich bin ja heilfroh. Mein Sohn ist auch Löwen-Fan. Ich finde es auch wichtig, dass man in jungen Jahren Demut lernt und dass Niederlagen dazu gehören. Es ist ja schon bezeichnend. Sechzig steigt in die Regionalliga ab, und seitdem ist der Spirit nochmal krasser. Und wenn mich dann auf Social Media einer als Mode-Fan bezeichnet, schreibe ich schon zurück, was ich sonst nie tue: ‘Junge, ich hab’ da gespielt, 1992!’

Tatsächlich?
Wir haben ja in Puchheim gelebt, quasi als einzige schwarze Familie, und um noch außenseitermäßiger unterwegs zu sein, waren wir auch noch Löwen-Fans - in Puchheim, wo 99 Prozent Bayern-Fans sind. Ich war der einzige Depp, der zum ersten F-Jugend-Training mit dem Sechziger-Kappi ankam.

echzig-Geschäftsführer Christian Werner begrüßt die Interims-Stadionsprecher.
echzig-Geschäftsführer Christian Werner begrüßt die Interims-Stadionsprecher. © IMAGO/Eibner

Durften Sie dennoch mitspielen?
Schon, aber 1992 nahm mich Papa mal zum Trainingsgelände mit - und plötzlich habe ich ein Probetraining gemacht und war mit einem Mal Löwen-Spieler! In der D-Jugend war das.

Wie lange ging’s?
Ein Jahr nur. Im Jahr darauf wäre dann schon drei oder vier Mal die Woche Training gewesen, und das immer von Puchheim aus. . . Ich wusste auch, dass ich kein Profi werde. Ich war halt schnell, bin mit 17 die 100 Meter in 11,2 Sekunden gerannt, wusste, aber dass das nicht rauf geht. Ich war immer Innenverteidiger, die Löwen haben mich zum Sechser umfunktioniert. Die Ambition Profi zu werden, war gar nicht da. Aber es war cool. Nach uns hat immer die Erste trainiert, und da hat mir der Frank Pingel, so ein dänischer Stürmer, immer über den Kopf gestrichen. Und einmal hab’ ich als Balljunge - oh, Sie haben ja noch gar keine Frage gestellt!

Pearce würde erneut als Stadionsprecher einspringen

Ist nicht nötig. Erzählen Sie weiter, bitte!
Bei zwei Heimspielen war ich Balljunge - und so fasziniert, dass ich auf diesem Rasen stand, dass Thomas Miller da einen umgehauen hatte, dass ich vollkommen vergaß, dass ich mal den Ball zurück werfen sollte.

Wie lange lief dann noch Ihre Kickerkarriere?
In Puchheim auch nicht mehr lange. Da kamen dann auch die ganzen Bimbo-Sprüche - und ich bin halt nicht weitergewachsen, so dass ich als Innenverteidiger irgendwann raus war. Klugerweise bin ich dann zum Basketball gewechselt.

Nicht Ihr Ernst!
Da sieht man mal wieder meinen Intellekt! Aber gespielt habe ich noch bis Mitte/Ende zwanzig, bis in die Oberliga, zwei Spiele hab’ ich sogar in der Regionalliga gemacht, als Aufbauspieler.

Respekt! Aber zurück zu den Löwen: War das denn nun eine einmalige Sache mit der Stadionsprecherei?
Ja, aber es kann ja immer was passieren. Ich und auch die Claudi sind jedenfalls jederzeit bereit einzuspringen, wenn beim Schachi mal irgendwas sein sollte. Als damals Stefan Schneider aufgehört hat, gab es wohl Spekulationen, wer ihm nachfolgen könnte, und da ist mein Name zumindest medial auch mal gefallen.

Und?
Ich habe schon überlegt, weil ich es natürlich geil finde. Aber in meinem Job kann ich halt nicht garantieren, jedes zweite Wochenende da zu sein.

Und Claudia Pichler ist ebenfalls Löwin durch und durch?
Sie hat da glaube ich nicht gespielt, ist aber ebenfalls über den Papa zur Löwin geworden, ein bissl später als ich, ist erst im Olympiastadion eingestiegen. Für sie war es fast die gleiche emotionale Reise: der Vater ebenfalls früh verstorben - da haben wir beide ganz unabhängig voneinander uns quasi gegenseitig erwischt, wie wir in den Himmel geschaut haben. Wir haben uns nur angeschaut - und wissend genickt: ‘I woaß scho.’

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