1860: Das Löwen-Rudel sucht seinen König
München - „Es gibt Soldaten und Generäle, am Sonntag haben wir keinen einzigen General auf dem Platz gehabt“, sagte Gerhard Poschner nach der 1:4-Klatsche bei Erzgebirge Aue. Damit bringt er auf den Punkt, was 1860 momentan fehlt: Anführer. Leader. Alpha-Tiere, ein König der Löwen.
In einem verunsicherten Löwen-Rudel herrscht nach dem miesen Saisonstart und dem Absturz auf den vorletzten Platz Tristesse. Schlechte Körpersprache, hängende Köpfe. Dabei braucht es gerade jetzt dringend jemanden, der vorangeht und die Löwen in erfolgreiche Zeiten und bessere Tabellen-Regionen führt.
Hat’s bei den Löwen wirklich Keiner im Kreuz, das Rudel anzuführen? Die AZ macht den Hierarchie-Check.
Die Führungsspieler:
Die mit Abstand kleinste Gruppe. Christopher Schindler ist Kapitän. Der Innenverteidiger ist durch und durch ein Blauer, er ist ein Ur-Münchner. Aber was er (noch) nicht ist: ein Alpha-Tier. Kapitän wurde der 24-Jährige ja erst durch die Demission des von Ex-Trainer Ricardo Moniz installierten, erst 18-jährigen Kapitän-Missverständnisses Julian Weigl.
Aber auch bei Schindler wiegt die Binde schwer: Als Spielführer absolvierte er noch kein vollends souveränes Spiel. Bei der Aue-Pleite folgte der Tiefpunkt: Schindler brach nach dem Debakel in Tränen aus. Das belegt zwar, wie sehr ihm der Verein am Herzen liegt. Und Schindler mangelt es nicht am Willen, sich für den Verein zu zerreißen. Aber: Der Tränenauftritt stärkt seine ohnehin wacklige Position als Anführer nicht. Das war eher Schneckenhaus als Löwengebrüll.
Weitere Führungsspieler im Löwen-Rudel? Fehlanzeige!
Die Arrivierten:
Das sind Kai Bülow, Yannick Stark, Grzegorz Wojtkowiak, Dominik Stahl, Daniel Adlung. Alles erfahrene Kräfte, von denen einfach mehr kommen muss. Sie sind aber zum Teil viel zu sehr mit sich selbst und ihren schwachen Leistungen beschäftigt, als dass sie den Kollegen den Weg weisen könnten: Bülow hat seinen Platz in der Innenverteidigung an Neuzugang Kagelmacher verloren, kämpft sich nach seiner Verletzung ran. Auch Adlung streitet mit überschaubarem Erfolg um einen Stammplatz. Stahl bekleidet als Abräumer wie Stark zwar eine strategisch wichtige Position, hat nach schwerer Verletzung aber noch kein Pflichtspiel absolviert und ist gegen Braunschweig erstmals überhaupt eine Option.
Und Wojtkowiak? Der Pole ist Vieles, aber sicher kein Lautsprecher, er brüllt nur selten.
Die Neuzugänge mit (theoretischem) Leader-Potenzial:
Rubin Okotie, Ilie Sanchez, Gary Kagelmacher, Stefan Ortega. Torjäger Okotie ist einer, der als Einziger zwei Eigenschaften mitbringt, die es zum Löwen-König braucht: Leistung und Willen. Mit sechs Treffern in zehn Spielen hat er voll eingeschlagen, seine Körpersprache besagt: „Gebt mir den Ball, ich hau‘ ihn rein.“ Da der Österreicher noch neu ist bei Sechzig und früher nie dauerhaft eine tragende Rolle in seinen Teams einnehmen konnte, braucht er Zeit.
Das gilt auch für Sanchez (Sprachbarriere), Kagelmacher (aus Leistungsgründen) und Ortega (ist erst 21). Sie sind von Poschner mittelfristig als Führungsspieler eingeplant, sind aber noch nicht soweit.
Die Mitläufer:
Die (leider) mit Abstand größte Gruppe: Sebastian Hertner, Maxi Wittek, Martin Angha, Edu Bedia, Bobby Wood, Daylon Claasen, Marin Tomasov, Stephan Hain, Rodri, Markus Steinhöfer, Leonardo, Valdet Rama, Julian Weigl, Guillermo Vallori, Moritz Volz. Aus dieser Kategorie hat keiner bewiesen, dass er als Leader taugt. Vom dauerverletzten Hain über noch zu junge Akteure (Weigl, Wittek, Hertner, Angha) bis hin zu wenig überzeugenden Neuzugängen (Bedia, Rodri) sind alles nur Mitläufer.
Und Ex-Kapitän Vallori ist sportlich auf dem Abstellgleis.
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