1860: Das Charakter-Spiel

Vor dem Pokal-Duell mit Hertha BSC wird Löwen-Trainer Lienen laut. Er will seine Elf verändern. Sogar Lauth steht zur Disposition.
MÜNCHEN Wenn Löwen-Trainer Ewald Lienen im blauen Pressecontainer an der Grünwalder Straße spricht, hat das mitunter etwas von volkstümlicher Unterhaltung.
Als ihn ein Journalisten am Dienstagmittag angesichts der sportlichen Talfahrt vor dem Pokal-Duell mit Bundesligist Hertha BSC (Mittwoch, 19 Uhr, Liveticker bei abendzeitung.de) fragte, ob er frustriert sei, holte der Löwen-Trainer tief Luft, baute sich auf dem Podest auf und rief laut: „Ich? Frustriert? Niemals! Ich bin hochmotiviert! Ich habe so ein breites Kreuz. Ich muss mich nicht selbst schützen, sondern den Verein.“
Wohl auch deshalb kommt Lienen drei Tage nach der 0:2-Pleite in Aachen seiner Androhung nach. „Das wird Konsequenzen haben!“, hatte er angekündigt. Tatsächlich wird der Trainer seine Versager-Elf gegen Hertha auf einigen Positionen verändern. Neben Alexander Ludwig, Charialos Pappas, Mate Ghvinianidze und Sascha Rösler steht auch Kapitän Benny Lauth zur Disposition.
Lienens Vorwurf in punkto Laufbereitschaft und Kampfgeist: „Ich muss bei einigen Leuten immer wieder von vorne anfangen. Es kann nicht sein, dass jemand 60 Prozent spielt und auf drei Zylindern rumtuckert. Wir sind hier nicht im Bioreservat, sondern beim TSV 1860. Der Punkt ist, das letzte aus sich herauszuholen. Wer das nicht kann, muss sich bei mir mit einem Teilzeitjob abfinden. Wir sind in einer Leistungsgesellschaft. Mein Job ist es jetzt, die beste Mannschaft auf den Platz zu stellen.“
"Nicht erst Fußball spielen, und dann Gras fressen - andersrum!"
Mit oder ohne Lauth in der Start-Elf? Das sei nicht einmal die entscheidende Frage, findet etwa Torhüter Gabor Kiraly. „Wir müssen jetzt Charakter zeigen. Nicht mit Worten und nicht nur im Training“, sagt der 33-jährige Torwart, „sondern in einem Pflichtspiel.“ Gegen Hertha, gegen Kiralys Ex-Klub. Und Verteidiger Torben Hoffmann, dessen Einsatzwille beim TSV 1860 stets als vorbildlich galt, fordert eindringlich: „Wir brauchen wieder die Zweitliga-Tugenden. Nicht erst Fußball spielen, und dann Gras fressen – sondern andersrum. Nur so funktioniert das.“
Worte, die Sportdirektor Miki Stevic zwar gerne hört, er relativiert sie aber gleich wieder: „Worte können lügen, aber Taten nicht.“
Und so wird das Pokal-Duell mit der ebenfalls kriselnden Hertha aus Berlin in der Allianz Arena zum Charakter-Spiel für die Blauen: Können die Löwen-Stars an ihre körperlichen und mentalen Grenzen gehen? Lienen sagt knapp: „Ich erwarte, dass sich jeder Spieler für 1860 zerreißt.“
Zumal es für den finanziell angeschlagenen Zweitligisten auch um viel Geld geht: Für den Einzug in die dritte Runde gäbe es für den Klub 493750 Euro; sollte 1860 dann einen attraktiven Gegner zugelost bekommen und das Fernsehen die nächste Partie live übertragen, kämen noch einmal rund 300000 Euro oben drauf.
„Der Pokal, der ist für uns wichtig“, sagt Geschäftsführer Manfred Stoffers der AZ: „Das sind für uns Einnahmequellen, mit denen wir nicht kalkulieren. Ich hoffe darauf, dass wir die nächste Runde erreichen.“
Und Lienen? Der könnte es dann beim nächsten Mal im Pressecontainer ruhiger angehen lassen.
Oliver Griss