Trainerin Sissy Raith: "Jungs sind direkter"

Warum Sissy Raith, die Ex-Trainerin der Frauen des FC Bayern, nun die Männer des TSV Eching coacht, Bier in der Kabine weiterhin erlaubt ist und Männer viel unkomplizierter sind.
AZ: Frau Raith, Sie sind seit Januar Trainerin des TSV Eching. Am Samstag (15 Uhr) gegen Gaißach haben Sie ihr erstes Heimspiel in der Bezirksoberliga. Nach sechs Wochen als weiblicher Chefcoach eines Männerteams: Wie sieht Ihr Lagebericht aus?
SISSY RAITH: Es ist wie erwartet spannend. Und ich habe festgestellt, dass Fußball mit dem Geschlecht nichts zu tun hat. Mein Job besteht darin, über Fußball zu reden. Etwas anderes habe ich als Trainerin des FC Bayern auch nicht gemacht.
Sie hatten nie Bedenken als Frau eine Herrenmannschaft zu trainieren?
Als die Anfrage vom TSV Eching kam, habe ich schon zunächst gezögert. Ich wollte eine Nacht darüber schlafen. Ich fragte mich, ob die Männer wohl ein Problem damit haben. Ich traf mich mit dem Mannschaftsrat. Die Jungs sagten: Wir wollen etwas lernen und Erfolg haben. Egal ob mit einem Mann oder einer Frau als Coach.
Mussten Sie sich dennoch umstellen?
Tatsächlich sagen Männern ganz offen, wenn ihnen was nicht passt. Umgekehrt gilt das natürlich genauso. Ich muss mir also nicht fünf mal überlegen: Wie sage ich was? und in welchem Ton? Wenn mich was stört, sage ich das direkt. Das finde ich wahnsinnig entspannend. Und dann sind da noch die kleinen Unterschiede. Am Anfang habe ich das Spielfeld häufig zu klein abgesteckt. Ich habe zunächst nicht berücksichtigt, dass Männer doch schneller laufen und weiter schießen als Frauen.
Und im Training auch gerne mal derb fluchen.
Ja, da fällt mir eine Szene ein: Im Trainings gab es ein Tackling - das war am Rande der Legalität. Da springen plötzlich beide Spieler auf und schimpfen und fluchen sich an. Ich dachte, die gehen aufeinander los. Und im nächsten Moment umarmen sie sich und lachen - da war ich ziemlich baff. Aber das zeigt: Das Team ist intakt, das sind alle gute Kumpels.
Und Sie sind auch Kumpel der Spieler?
Ich halte eine gewisse Distanz. Wenn sich einer im Ton vergreift, gibt es eine kurze Aussprache unter vier Augen – dann muss es okay sein. Ich muss Grenzen abstecken und sagen können: Bis hier und nicht weiter.
Klingt nach einem strengen Regime.
Ich brauche keine eisernen Hierarchien. Ich will mit Kompetenz überzeugen. Zum Beispiel spielen wir jetzt mit Viererkette. Das wurde sehr gut angenommen. Wenn es um Taktik geht, sind die Jungs unglaublich wissbegierig, saugen wie ein Schwamm alles auf was ich sage.
Beim ersten Training sind Sie mit einem FC Bayern-Trainingsanzug aufgetaucht. Ein stilles Signal an die Mannschaft?
Nein, das hatte einen ganz einfachen Grund: Es gab beim TSV Eching einfach noch keine Trainingsanzüge in den etwas kleineren Frauengrößen. Inzwischen hat sich das geändert.
Sie waren Trainerin beim FC Bayern. Jetzt trainieren Sie einen Bezirksoberligisten. Fühlt sich das nicht wie ein Abstieg an?
Überhaupt nicht. Ich habe hier einen top-organisierten Verein vorgefunden. Wir wollen in die Landesliga aufsteigen und die Chancen stehen nicht schlecht. Auch wenn das ein harter Weg wird. Und es ist noch einiges mehr möglich. Für mich persönlich ist diese Erfahrung sogar eine große Bereicherung. Weil ich eben zum ersten Mal Männer trainiere. Hinzu kommt, dass ich selbst nie mit einer Mannschaft aufgestiegen bin. Ich spielte immer in der höchsten Liga. Der Gedanke mit meinem Team aufzusteigen erfüllt mich mit Freude. Ich denke oft daran und visualiere vor meinem inneren Auge was dann hier im Ort passieren würde. Es wäre einfach eine riesen Sache, für die Mannschaft und den Verein im ganzen Landkreis.
Spüren Sie Erolgsdruck aus dem Umfeld?
Ich habe vor meiner Verpflichtung zum Vorstand gesagt: Mach mir eine Vorgabe, gib mir ein konkretes Ziel an dem ihr mich messen könnt! Dann sagte er: Es wäre schön, wenn wir den Aufstieg schaffen. Das war auch von Anfang an mein Ziel und das Ziel der Mannschaft, wie sich rausstellte. Mir ist klar, dass es schwer wird und ich werde auch in der Kritik stehen, besonders wenn es nicht so läuft. Aber ich will bis Sommer eine intakte Mannschaft präsentieren können und dann sieht man weiter.
Denken Sie schon an Abschied?
Nein, aber der Vorstand und ich werden uns rechtzeitig und vor Ende der Saison zusammensetzen und überlegen wie es weiter geht. So ist die Vereinbarung. Da müssen wir dann auch finanzielle Dinge ansprechen, momentan mache ich das ja mehr oder weniger ehernamtlich.
Zum Schluss noch eine unvermeidbare Frage: Geht es in der Kabine in Anwesenheit einer Frau etwas gehemmter zu?
Bier darf nach den Spiel auch weiter in der Kabine getrunken werden - allerdings werden wir ab Sommer nicht nur diesbezüglich einige Dinge ändern. Und was die Sprüche in der Kabine angeht - wissen Sie, die machen Frauenfußballrinnen ganz genauso.
Interview: Reinhard Keck