Toni Mang im AZ-Interview: „Eine blöde Situation“

Das deutsche Motorrad-Ass Stefan Bradl steckt in der Klemme: Erst war er verletzt, nun kündigte er den Vertrag bei seinem ins Zwielicht geratenen Rennstall. Toni Mang sagt, was Bradl jetzt alles blüht.
von  Interview: Thomas Becker
Der gelernte Werkzeugmacher startete eine einzigartige Karriere: Toni Mang (65) wurde mit 42 Grand-Prix-Siegen und fünf Weltmeistertiteln zum erfolgreichsten deutschen Motorrad-Rennfahrer. Stefan Bradl kannte er schon, als der noch ein kleiner Junge war.
Der gelernte Werkzeugmacher startete eine einzigartige Karriere: Toni Mang (65) wurde mit 42 Grand-Prix-Siegen und fünf Weltmeistertiteln zum erfolgreichsten deutschen Motorrad-Rennfahrer. Stefan Bradl kannte er schon, als der noch ein kleiner Junge war. © dpa

AZ: Herr Mang, Stefan Bradl hat seinen Vertrag mit dem Rennstall „Forward Racing“ aufgelöst. Besitzer Giovanni Cuzari wurde verhaftet, gegen ihn wird wegen des Verdachts auf Bestechung, Steuerhinterziehung und Betrug ermittelt. Die Sponsoren stellten alle Zahlungen ein. Die Teilnahme am nächsten Rennen am 9. August in Indianapolis musste das Team absagen. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?
TONI MANG: Das Geld ist das Problem der ganzen Szene. Wenn man da nicht aufpasst, kommt man ganz schnell mit Leuten in Kontakt, die das nicht so ehrlich handhaben.

Vater Helmut Bradl, der den Junior in der Vergangenheit gemanagt hatte, erzählte uns gerade, dass er seinen Sohn vor diesen Leuten schon vorab gewarnt hatte.
Das hatte man von verschiedenen Leuten schon gehört. Man kennt halt seine Pappenheimer. Das sind nicht die einzigen. Da gibt’s viele von der Sorte, hat’s immer schon gegeben. Aber was macht man nicht alles, wenn man Motorrad fahren will! Dumm, wenn so was mitten in der Saison passiert, gerade als er nach seinem Kahnbeinbruch wieder angreifen wollte. Jetzt ist ihm die Möglichkeit genommen worden, sich zu zeigen. Eine blöde Situation.

Was kann Bradl nun tun? Den Rennstall verklagen?
Das hilft ihm nicht. Wo nix ist, ist nix zu holen. Der ganze Rennstall wird wohl aus der Organisation fliegen, weil die Dorna (spanisches Sportmanagement- und Vermarktungsunternehmen, Inhaber der kommerziellen und Fernsehrechte der Motorrad-WM, Anm. d. Red.) sagt: ‘Mit solchen Leuten wollen wir nicht zu tun haben.’ Wenn ein Rennstall im Hintergrund wartet, könnte der theoretisch den frei gewordenen Platz, der von den Rennställen zum Teil bezahlt wird, übernehmen, und Stefan müsste schauen, dass er da unterkommt. Aber auch hier gilt: Geld regiert die Welt.

Wie meinen Sie das?
Stefans Problem ist: Er kann selbst zu wenig Geld mitbringen. Das ist das große deutsche Problem, weil hier für Motorradsport keine Geldgeber zu finden sind. Da sind wir viel zu sehr auto-orientiert.

Was kostet denn eine Rennsaison?
Ungefähr vier Millionen Euro. Und da darf nicht viel passieren! Die Teile sind enorm teuer. Wenn ich wie Stefan kein Geld mitbringe, kann ich auch nichts anschaffen.

Angeblich wird beim Rennstall Aprilia ein Platz frei...
Das könnte eine Möglichkeit sein. Aber: Er muss ja mit guten Plätzen aufwarten, sonst ist die Moto GP vorbei für ihn. Und mit Barilla hat er keine Chance auf gute Platzierungen. Die sind im Entwickeln, und was das bei Italienern heißt... Außerdem ist denen jeder Italiener, der fünf Euro mitbringt, lieber als ein Deutscher, der nix mitbringt.

Klingt nicht gut für Bradl.
Der Sport ist sehr schnelllebig. Wenn er in dieser Saison auf gar keinem Motorrad mehr sitzt, ist er in Vergessenheit geraten. Dann kräht kein Hahn nach Stefan Bradl. Das Zurück wird dann noch schwieriger, ohne Geld. Da beißt sich die Katze in den eigenen Schwanz. Kein Geld: kein gutes Motorrad. Ohne gutes Motorrad: keine guten Platzierungen. Ohne gute Platzierungen: kein Vertrag. Ohne Vertrag: kein Geld. Sich ohne Erfolg zu verkaufen, ist fast unmöglich.

Ist der Wechsel in eine tiefere Klasse eine Option?
Ein Rückschritt! Da werden die Sponsoren auch nicht gerade happy sein. Und wer mal da oben war, will natürlich nicht mehr zurück.

Wer berät ihn in dieser schwierigen Situation?
Günther Wiesinger, der ehemalige Chefredakteur von „Motorsport aktuell“. Ich habe nichts gegen Journalisten, aber mit einem solchen Mann als Manager macht man ein Tor auf, schließt aber so manches andere hinter sich. Das war schon mal der erste Fehler von Stefan, dass er sich mit dem eingelassen hat. Der hat nicht den besten Ruf im Fahrerlager.

Bei Ihnen holt sich Bradl keinen Rat?
Nein, ich dränge mich da nicht auf. Das ist so ein gefährliches, schwer zu durchschauendes Terrain. Ist Geld da, ist keins da? Es gibt nur sehr wenige Sponsoren, bei denen die Verträge verlässlich erfüllt werden. Spekulationen um die seltsame Geldvermehrung sind gang und gäbe geworden – was aber meistens schief geht. Eine richtig schwierige Situation für Stefan. Hoffen wir mal, dass wir ihn irgendwann wieder fahren sehen.

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