Timo Glock zum Formel-1-Start: "Mercedes hat mehr Probleme als die anderen"
AZ-Interview mit Timo Glock: Der 40-jährige Rennfahrer fuhr bis 2012 in der Formel 1. Aktuell ist er Experte bei "Sky," das alle Rennen in dieser Saison live überträgt.
AZ: Herr Glock, Ihren 40. Geburtstag haben Sie im Flugzeug verbracht: Dienstreise zum Formel-1-Auftakt am Wochenende in Bahrain, wo Sie auch schon mal Siebter und Neunter geworden sind. Wie sehr hat sich die Formel 1 seitdem verändert? Und wie anders als im vergangenen Jahr ist sie heuer?
TIMO GLOCK: Seit meiner Formel-1-Zeit hat sich natürlich vieles verändert und weiter entwickelt. In diesem Jahr ist es in der Tat eine sehr spezielle Situation, ein sehr spezieller Start in die Saison, weil mit den neuen Autos noch keiner so richtig weiß, wer den Ton angibt. Man kann schon sagen, dass die drei Top-Teams einigermaßen auf gleicher Höhe sind - aber genau wissen tut man das nicht. Das macht es natürlich sehr spannend und aufregend für alle, nun nach den Testfahrten in Bahrain die Saison zu eröffnen.

Timo Glock: "Auch bei Haas hat man einen Schritt nach vorne gemacht"
Was ist denn von diesen ersten Testfahrten zu halten? Liegen schon alle Karten auf dem Tisch oder ist da seitens der Teams noch Zockerei geboten?
Da ist schon noch viel Zockerei dabei, aber es fällt schon auf, dass Ferrari egal auf welchen Strecken zu bei welchen Bedingungen ganz vorn dabei gewesen ist. Die sehen von Anfang an gut sortiert aus. Red Bull mit Sicherheit auch, die muss man ganz klar auf der Rechnung haben, genauso wie Mercedes, auch wenn sie sagen, sie tun sich momentan noch schwer. Das haben wir schon oft gehört. Die Frage ist: Was hat man schon gezeigt, und was hat man noch in der Hinterhand? Erst beim Qualifying am Samstag sehen wir genau, was los ist. Es wäre natürlich schön, wenn der zweite Platz von Mick Schumacher sich am Renn-Wochenende bestätigen würde, aber ich glaube nicht, dass es für die Top 5 schon reicht. Aber auch bei Haas hat man einen Schritt nach vorne gemacht.
Timo Glock: "Die Teams sind deutlich näher zusammengerückt"
Der Plan der Formel-1-Bosse hinter all den Regeländerungen war ja, die Teams enger zusammenrücken zu lassen, um mehr Spannung zu generieren. Ist es schon absehbar, dass das passieren wird?
Das ist definitiv passiert: Die Teams sind deutlich näher zusammengerückt. Das nächste Ziel war: Das Racing zu verbessern, dass man in der Lage ist, näher hinter dem Vordermann herzufahren und somit mehr Überholmanöver zu generieren. Die Fahrer bestätigen zwar, dass man näher hinfahren kann, aber ist es auch nahe genug, um öfter überholen zu können? Da muss man erst mal das Wochenende und verschiedene Streckencharakteristiken abwarten, ob das auch passiert.
Probleme gibt es offenbar noch durch das extreme Ansaugen der Boliden an die Oberfläche. Erklären Sie bitte mal das Phänomen!
Das liegt an der neuen Aerodynamik-Regel. Man nennt das Ground-Effect. Der Hauptabtrieb wird über den Unterboden generiert, und bei hohen Geschwindigkeiten kommt der Unterboden irgendwann sehr nahe an den Asphalt oder berührt ihn sogar, wodurch der aerodynamische Abtrieb abreißt. Das Auto geht nach oben, saugt sich aber sofort wieder an, wodurch das Auto sozusagen anfängt zu springen. Das ist durch Höheneinstellungen schon in den Griff zu kriegen, aber je höher man das Auto schraubt, desto weniger Abtrieb hat man dann wieder - das ist eine feine Justierung. Jedes Team hat da ein anderes Konzept. Mercedes hat da momentan noch mehr Probleme als die anderen Teams.
Timo Glock: "Die drei Top-Teams werden um die WM kämpfen"
Extrem beunruhigend, wenn so etwas bei Höchstgeschwindigkeit passiert, oder?
Es ist definitiv beunruhigend und nicht gerade angenehm, gerade in Bahrain, wo man mit hoher Geschwindigkeit in die erste Kurve geht. Das macht das Anbremsen deutlich schwieriger. Das sind Belastungen, die man als Fahrer nicht haben will.
Einen klaren WM-Favoriten gibt es in dieser Saison nicht.
Die drei Top-Teams werden um die WM kämpfen: Red Bull mit Max Verstappen, die beiden Ferraris muss man im Auge behalten und Mercedes natürlich auch. Aber auf einen festlegen würde ich mich nicht.
Was trauen Sie Sebastian Vettel, der in Bahrain mit Corona ausfällt, heuer zu?
Er hat einen relativ zufriedenen Eindruck gemacht. Wenn er ein Auto zur Verfügung hat, das zu ihm und seinem Fahrstil passt, bin ich mir sicher, dass wir einen Kampf im eng zusammenhängenden Mittelfeld sehen werden. Vielleicht reicht es aber auch für die Top 5.
Timo Glock: "Mick wird sich sicher strecken müssen"
Wie beurteilen Sie Mick Schumachers neue Situation im Team nach dem Ausstieg von Nikita Masepin?
Mit Kevin Magnussen hat er jetzt eine ganz andere Messlatte und weiß: Der kann Autofahren! Magnussen hat gezeigt, dass er in die Formel 1 gehört. Somit hat Mick jemanden, von dem er auch profitieren und lernen kann, der eine andere Herangehensweise hat und mit viel Erfahrung kommt. Das kann Mick nur zugutekommen. Da werden wir uns auf einen schönen Kampf zwischen den beiden freuen können. Da wird sich Mick sicher strecken müssen, aber er hat gezeigt, dass er sich im Auto wohlfühlt, hat bei den Testfahrten einen guten Job gemacht, auch wenn es technische Probleme gab.
Magnussen ist für ihn eher Partner als Masepin, oder?
Naja, wenn man zurückschaut: Magnussen und Sebastian Grosjean waren sich auch nicht immer grün. Der ist auch kein Kind von Traurigkeit. Da kann es schon mal knallen. Mick wird ihm aufmerksam zuhören, aber trotzdem seinen eigenen Weg gehen.
Glock: "Es müsste eine größere Unterstützung für die Rennstrecken geben"
22 Rennen ist die Saison heuer lang - und erneut findet sie ohne einen Stopp in Deutschland statt. Was muss passieren, dass die Formel 1 mal wieder in Hockenheim oder am Nürburgring Station macht?
Es müsste eine größere Unterstützung für die Rennstrecken geben. Alle anderen Rennstrecken werden vom jeweiligen Land gefördert oder unterstützt, was in Deutschland nicht der Fall ist - und dann ist das vom Veranstalter einfach nicht zu stemmen. Es ist eine einfache Rechnung: Die Formel 1 fordert x Millionen, Ticketverkäufe bringen den Betrag y, und wenn dann ein Minus davor steht, rechnet sich das nicht. Nun ist lediglich im Gespräch, ob Deutschland als Ersatz für den Grand Prix in Russland einspringen könnte.
Wenn man sich die Haushalte der Regierung anschaut, ist es unwahrscheinlich, dass da Geld für Rennsport übrig ist.
Richtig.
- Themen:
- Ferrari
- Sebastian Vettel
- Sport
- Timo Glock