„Tennis ist ein Sport für Egoisten“
Der 24-Jährige gewann 2006 in München sein erstes Turnier. Im Daviscup gegen Spanien ist Philipp Kohlschreiber für die Einzel gesetzt. Die deutsche Nummer 1 über Rivalen im Team. »Meine Sprüche waren schon immer gut.“
AZ: Herr Kohlschreiber, wie lebt es sich als Nummer 1 im deutschen Tennis?
PHILIPP KOHLSCHREIBER: Freut mich natürlich, dass ich mich bester deutscher Tennisspieler schimpfen darf. Und ich hoffe natürlich, dass ich es auf Dauer bin und ich mich da oben halten kann. Und es geht sicher noch viel besser. Ich will nicht ewig die Nummer 27 bleiben. Das klingt mir zu unrund.
Was sagen eigentlich die Platzhirsche Haas und Kiefer, dass Sie jetzt plötzlich die Nummer 1 sind? Sind Sie als Bester unter Ihresgleichen akzeptiert oder kommen jetzt verstärkt die Ellenbogen der Kollegen?
Ganz ehrlich, ich weiß gar nicht so genau, wie die das sehen. Aber ich bin ja auch keiner, der den Finger rausstreckt und sagt: „Ätsch. Ich bin die Nummer 1 und ihr nicht." Es gibt da keinen Neid, ob jemand als Nummer 1 oder als Nummer 2 antritt. Es hört sich halt nur witziger an, wenn man sagt: Ich fahre als Nummer 1 zum Daviscup.
Ist das Daviscupteam eine Clique von besten Kumpels oder doch nur reine Zweckgemeinschaft?
Wir respektieren uns, auch wenn wir nicht unbedingt dicke Freunde sind. Tennis ist ein Sport für Egoisten, jeder schaut auf sich, seine Ziele, seinen Erfolg. Dann spielt man gegeneinander und ist Rivale. Beim Daviscup versucht jeder sich in das „Wir“ einzufügen. Man arrangiert sich, um gemeinsam Erfolg zu haben.
Und Ihnen gelingt das gut?
Klar gibt es auch im Daviscupteam Meinungsverschiedenheiten. Es wäre doch nicht ehrlich, wenn man auf best friends macht, wenn man gerade ein, zweimal im Jahr zusammenspielt. Ich bin beim Kartenspielen mit den Jungs beispielsweise nie dabei. Aber das finde ich nur ehrlich, wenn ich dazu keine Lust habe. Ich mache niemandem etwas vor.
Gegen Spanien ist Nicolas Kiefer nach zwei Jahren wieder in das Team zurückgekehrt. Zuletzt war von Spannungen die Rede zwischen ihm und Haas und dem Rest des Teams. Ist das nicht hinderlich für den gemeinsamen Erfolg?
Was zwischen Tommy und Kiwi ist, müssen die beiden untereinander ausmachen. Klar war aber, dass Patrik sich als Teamchef in den letzten Jahren auf Tommy verlassen musste, weil er der mit Abstand beste Spieler im Daviscup war. Ich sehe hier keine Probleme. Tommy ist nicht dabei und ich persönlich verstehe mich mit Kiwi von allen am besten.
Sie haben in den letzten zwei Jahren eine rasante Entwicklung genommen und stehen im Fokus der Öffentlichkeit. Schattenseiten inklusive: Ihr Name fiel Ende letzten Jahres im Zusammenhang mit der Wettbetrugsaffäre. Sind Sie denn bereit, die Heldenrolle im deutschen Tennis zu übernehmen?
Die Erfahrung habe ich schon gemacht, dass du öfter dein Fett wegkriegst, je mehr du in der Öffentlichkeit stehst. Ungerechtfertigte Vorwürfe und anonyme Anschuldigungen - da wird man wegen irgendwas völlig falsch bezichtigt, aber du kannst es nicht mehr ungeschehen machen. Das ist bitter. Wenn man verliert, ist das eine bittere Pille, aber es kommt ein neues Turnier. Hast du gedopt, gibt es eine positive oder negative Probe. Aber Gerüchte und falsche Behauptungen, das bleibt hängen und du kannst dich nicht dagegen wehren.
Im letzten Jahr haben Sie, auf Ihre Erfolge angesprochen, gesagt: „Ich bin noch ’ne Wurst, ich habe noch nichts erreicht." Wie sieht Ihre aktuelle Wurstbilanz, ein Jahr später, aus?
Ich habe mich zu einem Mini-Meica-Würstchen entwickelt (Er lacht) Meine Sprüche waren schon immer ganz gut, jetzt kommen allmählich auch die Taten. Das halte ich auch für eine meiner Stärken, dass ich mir nicht schon mords was darauf einbilde, was ich alles erreicht habe. Ich habe in den ersten Monaten des Jahres viele Punkte gesammelt, die mich meinem großen Ziel näher bringen. Aber ich will mehr.
Das da wäre?
Ich kann noch viel weiter nach vorne kommen. Ich spüre, dass noch viel mehr in mir drin ist. Der Sieg in München, mein erster Turniersieg vor genau einem Jahr, das war ein Befreiungsschlag. Seitdem ist mein Selbstbewusstsein viel größer geworden. Ich bin aktuell die Nr. 27 der Welt. Aber wenn ich mir so ein paar Nasen vor mir in der Weltrangliste anschaue, dann denke ich mir immer: Was haben die vor mir zu suchen? Ich bin spielerisch nicht schlechter als die Top Ten. Unter die ersten Zehn, das ist die Schallmauer, die will ich durchbrechen. Mein ultimatives Ziel.
Interview: Thilo Komma-Pöllath
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