Techno-Doping mit Prothesen?
LONDON - Der Frust bei Oscar Pistorius war groß. So groß, dass er etwas tat, was nicht zu seinem Ruf als großer Sportsmann passte. Nach seiner ersten Niederlage über 200 Meter in seiner Karriere schimpfte der südafrikanische Athlet, Spitzname "Blade Runner”, gegen die Konkurrenz.
Er warf Überraschungssieger Alan Fonteles Cardoso Oliveira vor, auf zu hohen Stelzen zu laufen. Am Morgen nach seinem enttäuschenden Rennen entschuldigte sich Pistorius zwar beim Brasilianer – allerdings nur für den Zeitpunkt seiner Kritik.
Das Material-Thema brachte der Vorzeige-Behindertensportler beim Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) sogar auf die Tagesordnung. Droht etwa die nächste Diskussion über Techno-Doping?
"Ich wollte niemals den Moment des Triumphes eines anderen Athleten schmälern”, entschuldigte sich Pistorius am Montag für das Timing seines Vorwurfs. "Das war die Stunde von Alan, und ich möchte deutlich machen, welchen Respekt ich vor ihm habe.”
Der auf Gold programmierte Oscar Pistorius hatte am Sonntagabend in seinem ersten Rennen bei den Paralympics überraschend gegen den 20-jährigen Oliveira auf den letzten Metern verloren und anschließend in einem Fernsehinterview von einem "unfairen Rennen” gesprochen. Der Brasilianer habe zu lange Unterschenkel-Prothesen, die ihm einen Vorteil verschaffen würden.
"Absolut lächerlich”, sagte Pistorius. Er habe noch nie jemanden gesehen, der acht Meter Rückstand nach 100 Meter aufholt. Der Brasilianer reagierte enttäuscht auf die Aussagen des weltweit prominentesten Behindertensportlers: "Er war bisher mein großes Idol. Aber es ist einfach nur traurig, dass er solche Sachen sagt.”
Problem ist nicht, das Oliveira gegen eine Regel verstoßen hat – sondern die Regel selbst. Wie hoch nämlich eine Prothese sein darf, wird über einen Faktor basierend auf der Armlänge berechnet.
Offenbar treten dann Probleme mit den Proportionen auf. "Die (IPC/Anm. d. Red.) haben uns bei der WM in Christchurch vermessen. Ich bin gleich groß geblieben, aber Oliviera ist im Vergleich zehn Zentimeter größer geworden”, sagte der Paralympics-Siebte David Behre und ergänzte: "Daraus resultiert der Sprung, jeder seiner Schritte hat eine größere Spannweite, vielleicht um Zentimeter. Auf 400 Metern kann sich ja jeder ausrechnen, was das ausmacht.”
Abgesehen von der Technik-Debatte war Pistorius auch unter seinen Möglichkeiten geblieben. Seine Zeit aus dem Halbfinale, als er in 21,30 Sekunden Weltrekord gelaufen war, hätte für Gold im Finale gereicht. "Ich wäre vorsichtig, es nur auf das Material der Konkurrenz zu schieben. Er hatte alles auf die 400 Meter bei Olympia ausgerichtet. Da kann man nicht top laufen”, sagte der Chef de Mission, Karl Quade.
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