Super-Bolt mit Super-Weltrekord

BERLIN - Auch Tyson Gay war nur Mitläufer: Usain Bolt pulverisierte seinen genau vor einem Jahr in Peking aufgestellten Weltrekord. Und man darf gespannt sein, was noch kommt: «Die Show geht weiter», versprach der neue Weltmeister.
Für Usain Bolt waren es 41 Schritte, für die Sprint-Welt ein Quanten-Sprung: Auf den Tag genau ein Jahr nach seinem 100-Meter-Olympiasieg in Peking hatte der 22 Jahre alte Jamaikaner auch sein erstes WM-Gold in der Hand. 9,58 Sekunden - was für ein Weltrekord! Milliarden von TV-Zuschauern in aller Welt und rund 50.000 begeisterte Leichtathletik-Fans im Berliner Olympiastadion erlebten die Gala des schnellsten Mannes der Welt, der seinen Mitläufern erneut nicht den Hauch einer Chance ließ: Wie ein Blitz auf blauer Bahn stürmte Bolt um 21.45 Uhr im Finale los - nach 20 Herzschlägen war die spannendste Sonntagsfrage der WM beantwortet. Gleich um 11/100 Sekunden blieb Bolt unter seinem Fabelweltrekord vom 16. August 2008.
«Das war definitiv mein bestes Rennen», jubelte der Champion etwas außer Atem und versprach: «Die Show geht weiter. Das Publikum hier im Stadion hat mir zusätzlich Energie verliehen», meinte der alte und neue Weltrekordler und fügte hinzu. «Es war großartig. Es ist einfach unglaublich, ein Rennen zu laufen, wie man sich das vorstellt. Ich hatte es für möglich gehalten, schneller als 9,69 Sekunden zu laufen, aber dafür brauchte ich das perfekte Rennen. Ich glaube, mein Trainer wird nichts finden können, womit er unzufrieden ist.»
Wie einst Jesse Owens
«Es hat immer Jahrhundert-Talente gegeben, das hat man hier auch 1936 bei Jesse Owens gesehen», meinte IOC-Vizepräsident Thomas Bach, der den Sprint-Krimi live im Stadion erlebte. Wochenlang war über das Duell der Giganten zwischen Bolt und seinem schärfsten Konkurrenten Tyson Gay philosophiert, spekuliert und geschrieben worden. In weniger als zehn Sekunden ist das Thema durch. Der fünf Jahre ältere Amerikaner - in Osaka vor zwei Jahren mit dreimal WM-Gold noch der Sprintkönig - landete in 9,71 Sekunden auf dem Silberrang. Bolts Landsmann Asafa Powell, der zwischen 2005 und 2007 gleich vier Weltrekorde aufgestellt hatte, musste sich in 9,84 Sekunden mit Bronze begnügen.
Im zwölften 100-Meter-Finale der WM-Geschichte kam der strahlende Sieger zum ersten Mal aus Jamaika. Fünf Tage vor Bolts 23. Geburtstag hatte die ganze Karibik-Insel deshalb einen guten Grund, den 1,93 Meter großen und 86 Kilo schweren Schlaks aus Trelawny zu feiern. Dabei ist die Berliner Gold-Mission noch nicht erfüllt: Bolt will weitere Titel über 200 Meter und in der Sprintstaffel sammeln.
Wo die Welt aufhört
Spannend ging es schon im ersten Halbfinale zu, als Bolt erst Mätzchen machte und dann gleich einen Fehlstart verursachte. Als die Post dann im dritten Anlauf abging, trudelte er in 9,89 Sekunden ins Ziel. Am Ende des Tages dürften selbst die 9,58 Sekunden für den Mann vom anderen Stern noch nicht das Ende gewesen sein. «Ich glaube, dass ich eine 9,4 rennen kann», hatte Bolt einmal gesagt. «Aber ich denke, die Welt hört bei 9,4 auf.»
Die Rivalen der Rennbahn waren vor einem Sturmlauf des Favoriten gewarnt: «WHO FASTER?» steht auf Bolts nagelneuen Hightech-Spikes, Größe 47, die Ausrüster (Puma) eigens für seinen Millionen-Mann maßgeschneidert hat. Keiner konnte dem Wunderläufer mit dem Wunderschuh schließlich das Wasser reichen. Auch Gay nicht. Der Bauernsohn aus Lexington in Kentucky, der vor den Rennen oft mit seiner Mutter Daisy am Telefon betet, verlor auch das zweite Duell gegen den Weltrekordler aus Kingston.
Ergebnisse 100 Meter, Männer
1. Usain Bolt (Jamaika) 9,58 Sek. WR (+ 0,9 m/s); 2. Tyson Gay (USA) 9,71; 3. Asafa Powell (Jamaika) 9,84; 4. Daniel Bailey (Antigua und Barbuda) 9,93; 5. Richard Thompson (Trinidad und Tobago) 9,93; 6. Dwain Chambers (Großbritannien) 10,00; 7. Marc Burns (Trinidad und Tobago) 10,00; 8. Darvis Patton (USA) 10,34; ... 34. Martin Keller (Chemnitz) 10,40 (Zwischenlauf); 40. Tobias Unger (Kornwestheim/Ludwigsburg) 10,42 (Vorlauf); 49. Stefan Schwab (Schwarzenbek) 10,50 (Vorlauf). (Von Ralf Jarkowski, dpa)