Süßeste Versuchungen

Die Kickboxerinnen Christine Theiss und Cindy Metz über Körpergefühl, Klischees und Schokolade.
AZ: Frau Metz, Frau Theiss, willkommen zum Gipfeltreffen der Kickbox-Queens. Um welche Fähigkeit beneiden Sie denn die jeweils andere?
CHRISTINE THEISS: Eine ganz schwere Frage! Ich denke, ich hätte am liebsten die Beine von der Cindy. Damit ich in jeder Situation immer richtig stehe. Das tue ich nämlich leider nicht. Aber nicht weitersagen!
CINDY METZ: Ich hätte gerne die Kicks von der Chrissie. Egal, wie sie steht, ob richtig oder falsch, da kommt immer noch ein zielgenauer Tritt.
THEISS: Das ist doch nur, weil ich mein Gleichgewicht verliere und umfalle und dabei halt die Beine noch durch die Gegend fliegen.
Und auch die mentale Stärke von Christine Theiss könnte Ihnen guttun. Sagt zumindest Ihr Trainer Pavlica Steko.
THEISS: Was heißt Stärke? Ich sage einfach: Verlieren, das gibt es nicht. Damit hat es sich.
METZ: Ja, das stimmt, das soll es für andere geben, aber für uns nicht. Ich habe mir viele Ziele gesetzt, ich will nicht nur gewinnen, ich will auch gut kämpfen, damit ich nicht nachher nächtelang nicht schlafen kann und mir dauernd sage: „Was hast du denn für einen Mist gemacht?!“
Sie können Christine ewig dankbar sein, Sie hat es fast im Alleingang geschafft, Kickboxen aus der Schmuddelecke zu holen und dem Sport ein – auch noch hübsches – Gesicht zu geben.
METZ: Danke, Chrissie! Sie ist das, was Regina Halmich für Frauenboxen war. Sie musste den schweren Weg gehen.
THEISS: Ich musste sicher anfangs wirklich Türen auftreten und Schranken, die gerade im Kopf bestanden, zerschlagen. Da kann ich auch nur ein ganz großes Lob und Dankeschön an die Abendzeitung richten – sie war es, die uns als erste akzeptiert hat. Es freut mich zu sehen, dass die Tür nicht wieder zufällt. Dass ich nicht nur ein Komet bin, der dann verglüht, sondern, dass eben Interesse an neuen, frischen Gesichtern besteht. Wie eben das der Cindy. Es ist schön, dass Sie wieder da ist.
Frau Theiss, sehen Sie selber Parallelen zu Halmich?
THEISS: Wir sind sicher beides Pioniere. Doch sie hat mir noch einiges voraus, sie hat zum Beispiel auch noch einen tollen Rücktritt hingelegt. Das möchte ich ihr eines Tages nachmachen. Aber keine Angst, ich will mich schon noch ein paar Jahre durchs Leben treten.
Sie, Frau Metz, haben den Sport jahrelang vernachlässigt...
METZ: Ja, mir war eine gute Ausbildung vorerst wichtiger. Mein Vater hat mich dann immer angestachelt. Er sagte: „Du bist so ein Talent, aber auch so faul! Du verschwendest dein Talent.“ Und mein Freund, der selber Kampfsportler ist, hat mir dann auch gesagt: Entweder du machst es gescheit – oder gar nicht.
Er hat Sie also vor die Wahl Boxring oder Herd gestellt?
METZ: Nicht ganz, den Herd werde ich schon auch noch zuweilen bedienen.
THEISS: Kein Problem, wir Frauen sind ja geübt im Multi-Tasking. Wir können den Herd bedienen und trotzdem Boxen. Und natürlich telefonieren, das können wir bei fast jeder Gelegenheit.
Apropos Frauenklischees. Boxer wie etwa Axel Schulz sind immer noch große Gegner Ihres Sports und sagen, dass Weiblichkeit und Kampfsport nicht zusammenpassen.
THEISS: Da stellt sich die Frage, ob Boxen und Axel Schulz eigentlich zusammenpassen.
METZ: Du hast mir meine Gedanken gestohlen, genau das wollte ich auch sagen! Mein Gott, er hat seine Meinung, die will ich ihm auch nicht nehmen.
Wo wir gerade bei Weiblichkeit sind: Wie sehr hat denn der Sport Ihr Körpergefühl verändert?
THEISS: Dieser Sport ist Körpergefühl. Es ist unser A und O. Der Sport hat ja nebenbei auch noch den sehr angenehmen Effekt, dass man bestens durchtrainiert aussieht. Mein Körper ist nicht nur ein Gestell, dass mich von Punkt A zu Punkt B bringt. Wir arbeiten eigentlich ausschließlich mit unseren Körpern, da gibt es keine Hilfsmittel wie Tennis- oder Golfschläger. Dementsprechend pfleglich behandle ich meinen Körper. Ich rauche nicht – und ich saufe auch nicht.
METZ: Ich auch nicht! Das hat mich auch noch nie interessiert. Aber keine Angst, die anderen Laster, die bleiben.
Wir sind ganz Ohr!
METZ: Jetzt darf ich nichts falsches sagen! Okay, ich kann einfach nicht ohne Süßigkeiten, besonders Schokolade ist mein großes Laster. Ich gönne mir eigentlich jeden Tag Schokolade oder Gummibärchen als Freudenspender. Aber die letzten vier Wochen vor einem Fight lebe ich ganz schokofrei. Dabei würde ich vor Kämpfen am liebsten bergeweise Schokolade essen.
THEISS: Das ist immer so, die meiste Gier hat man nach dem, was man nicht hat.
Interview: Matthias Kerber