Stuck: "Ich träume vom Kaffeehaus"
Am Wochenende beendet Stuck nach 40 Jahren seine Karriere. Hier erklärt er, warum es einst freizügiger zuging – und wieso er bald nur noch an der Carrera-Bahn Rennen fährt
AZ: Herr Stuck, Sie starten am Samstag beim 24-Stunden-Rennen am Nürburgring mit Ihren Söhnen Johannes und Ferdinand zu Ihrem letzten Rennen. Wann waren Sie aufgeregter? Jetzt oder bei Ihrem ersten Rennen?
HANS-JOACHIM STUCK: Vor dem ersten. Bei meinem letzten Rennen bin ich total relaxt. Wir müssen nicht gewinnen. Mein Abschiedsrennen will ich einfach genießen.
Für viele in Ihrem Umfeld ist Ihr Abschied sehr emotional. Wie geht es Ihnen dabei?
Wenn wir wirklich am Sonntag auf einem guten Platz ankommen, wird es mich schon erwischen. Dann kommt die symbolische Übergabe des Lenkrads an die Buben. Ob wir dann feiern oder weinen gehen, werden wir sehen.
Sie haben nach dem Rennen seit langem mal ein paar Tage frei. Was haben Sie sich für Montag vorgenommen?
Ich habe daheim in Elmau ein Frühbeet angelegt, das muss ich anpflanzen. Und ich muss einen meiner Oldtimer einstufen lassen.
Werden Sie in Zukunft wie andere Rennfahrer-Papas bibbernd am Zaun stehen?
Das mache ich jetzt schon. Wenn ich die Burschen alleine lasse, dann gewinnen die sowieso. Sobald ich auftauche, geht etwas in die Hose. Beim ersten Sieg von Ferdinand und Johannes in diesem Jahr saß ich am Ostermontag zu Hause auf dem Sofa und habe es nicht mehr ausgehalten. Ich bin runter in den Keller, rauf in den ersten Stock. Ich habe mir gesagt: Ferdl mach keinen Scheiß. Ich war mit den Nerven völlig fertig.
Welches Rennen war für Sie das Bewegendste?
Das war Le Mans 1976, als ich gewonnen habe und Jo Gartner tödlich verunglückt ist. Ein Wechselbad der Gefühle. Jo war auf dem Weg ins Porsche-Werksteam, wir hatten zuvor das Zwölfstunden-Rennen in Sebring gewonnen. Dann geschah dieser schwere Unfall, den ich erst nicht mitbekommen habe. Man hat es mir verheimlicht. Erst als ich in die Box kam, habe ich erfahren, dass es Jo Gartner war. Da wollte ich aufhören. Aber ich musste fahren und gewinnen.
Auch Sie sind dem Tod öfter begegnet.
Dafür, dass ich nach 43 Jahren Rennsport in einem Stück dasitze, muss ich sehr dankbar sein. Aber die Todesfälle haben mich komischerweise nie davon abgehalten weiterzumachen. Verdrängung war die Lösung.
Wie hat Sie Ihr schwerer Unfall am Nürburgring letztes Jahr beeinflusst, nach dem Sie am Kopf operiert werden mussten?
Ich wollte danach mein Leben anders einteilen. Auch meine Stiftung ist daraus entstanden. Ich wollte etwas zurückgeben. Wenn du so einen Crash überlebst, sagst du dir: Glück gehabt.
Es gab aber auch Freude Zeiten in Ihrer Karriere. Erinnern Sie sich noch an Streiche aus den wilden Zeiten?
Wie lange haben wir denn Zeit? (lacht) 1975 waren wir mal mit BMW in den USA unterwegs. Ich hatte eine Freundin, die durch ihre gute Oberweite bekannt war. Mein Teamkollege Dieter Quester wollte diese Brüste schon immer mal unbedeckt sehen. Die Mucki und ich standen im Training in Kurve 9. Da kam Quester und hat uns angehupt. Bei der dritten Durchfahrt haben wir ihr das T-Shirt hochgelupft und vorne sind die Dinger rausgefallen. Dieter fährt. Guckt. Und klatscht in die Mauer. Wir sind bei Jochen Neerpasch (damals BMW-Motorsportchef, d.Red.) angetanzt, der ohnehin zum Lachen in den Keller ging. Der sagte: ,Das können wir uns als BMW nicht erlauben. Ihr müsst die Reparatur zahlen und die Spesen auch.' Da hat Quester geantwortet: ,Macht nichts Jochen, die Peep-Show war es wert.'
War es früher einfacher, mit Mädels anzubandeln?
Es war einfach anders. Wenn du heute unterm Tisch einen Furz lässt, ist es morgen im Internet. Heute ist alles so transparent und es sind so viele Verpflichtungen damit verbunden. Und die Fahrer sind alle schon in festen Händen. Mein Johannes ist schon seit fünf Jahren mit seiner Freundin zusammen. Das hätte es früher nicht gegeben. Da wäre das langweilig gewesen.
Von was träumen Sie noch?
Ich habe schon seit 20 Jahren die Idee, ein Kaffeehaus in Kitzbühel oder Elmau aufzumachen. Bisher haben mir alle abgeraten. Keine meiner Ehefrauen (Stuck war drei Mal verheiratet, d.Red.) hat mitgemacht. Jetzt bin ich nicht mehr verheiratet, mal schauen, ob wir das umsetzen können. Ich hatte neulich ein gutes Gespräch mit Heino. Er wohnt auch in Kitzbühel und hat so ein Kaffeehaus. Das ist der Hit. Er sagte: „Mach das!”
Sie spielen mit Ihren Söhnen gerne Backgammon. Wird das ihr neues Hobby?
Tischtennis und Backgammon gehen immer. Ich habe aber noch eine coole Sache vor. Ich werde mir für den vorderen Teil meiner Garage eine große Holzplatte besorgen. Da kommt eine Carrera-Bahn drauf, die elektrisch verstellbar ist. Da können wir weiter Rennen fahren.
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