Stress, 70 Tonnen Material und ein paar Kisten Bier

Vancouver sind für den deutschen Cheflogistiker Achim Bueble die letzten Olympischen Spiele.In der AZ verrät er, warum die Reise nachKanada eine seiner schwierigsten Missionen ist.
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Es sieht so einfach aus! Doch Achim Bueble plante seit fast sieben Jahren, was in die Kisten für Vancouver rein muss.Foto: dpa
dpa Es sieht so einfach aus! Doch Achim Bueble plante seit fast sieben Jahren, was in die Kisten für Vancouver rein muss.Foto: dpa

Vancouver sind für den deutschen Cheflogistiker Achim Bueble die letzten Olympischen Spiele.In der AZ verrät er, warum die Reise nachKanada eine seiner schwierigsten Missionen ist.

MÜNCHEN Hätte auch leichter sein können. Näher vor allem. Salzburg, das wäre herrlich gewesen für Achim Bueble. Aber nein, die IOC-Delegierten mussten sich vor knapp sieben Jahren ja für Vancouver entscheiden. Weit weg, im Westen Nordamerikas. Am Freitag, nach mitteleuropäischer Zeit in der Nacht zum Samstag, ist die feierliche Eröffnungsfeier für die Winterspiele. Für Achim Bueble aber begannen sie schon im Juli 2003. Am Tag der Vergabe, da ging die Planung los. Als Chef-logistiker für die deutschen Olympioniken. Als Mann, der einpacken kann.

„Nur wenn die Spiele eben über Land zu erreichen sind“, sagt Bueble zur AZ, „dann ist das alles halt schon wesentlich unkomplizierter.“ Turin vor vier Jahren etwa, da ging das leicht. Oder auch Sarajewo, 1984. Buebles erste Spiele als oberster Koordinator für den Transport. „Damals haben wir noch Schwarzbrot mitgenommen“, sagt er. So genau habe man der jugoslawischen Küche damals nicht getraut, inzwischen jedoch seien die Menüs in den Mensen und Kantinen der Olympischen Dörfer so vielseitig und ausgewogen, da können sie den Proviant daheim lassen.

Sicher, ein paar Kisten Bier und Sekt hat Bueble schon dabei. Für den Ernstfall. „Wenn bei uns im Dorf jemand was zu feiern hat oder einen Schlummertrunk benötigt.“ Oder einen Absacker zum Obeschwoam nach dem geplatzten Medaillentraum. Natürlich mussten die Alkoholika erst durch die strengen Kontrollen des kanadischen Zolls, dem Liquor Control Board, so wie auch alle Medikamente der einfliegenden Medizinabteilung durch den Check der Gesundheitsbehörde. Alles nicht so leicht. Im Gegenteil: Es ist sehr schwer.

Denn insgesamt sind es 70 Tonnen Material, die der DOSB auf die Olympia-Mission nach Vancouver schickt. Das allein kostet schon 300000 Euro, dabei sind da auch 20 Computer für die Büros, am meisten aber freilich wiegen die elf Zweier- und Viererbobs, eingepackt in vier Meter lange Kisten, und die 22 Rodel-Schlitten der Medaillenhoffnungen im Eiskanal. Etwas kompliziert ist das auch immer bei den Biathleten, die Gewehre müssen getrennt von der Munition in speziellen Waffenkoffern fliegen, aber immerhin landeten sie ja schon vergangenen Montag problemlos in Vancouver.

Anders als viele Drucksachen, den rund drei Tonnen schweren Papierunterlagen wie Presseinformationen oder Mannschaftsbroschüren. Die nämlich nahmen ungewünschte Umwege. „Die Flugzeuge aus Deutschland nach Vancouver sind derzeit alle bis auf den letzten Platz voll“, sagt Bueble, „da wird erst einmal das Übergepäck der Passagiere mitgenommen.“ Und nicht die von Bueble reservierte Luftfracht, die dann auf einen anderen Zielflughafen umgebucht wurde. Weshalb in den letzten Tagen sehr viele Trucks zu sehen waren, die das Material von Seattle über die US-kanadische Grenze nach Vancouver karrten. „Richtig beunruhigend war das aber nicht“, sagt Bueble.

Natürlich nicht, denn Bueble hat bei seinen bisherigen 14 Spielen schon Schlimmeres erlebt. 1988 in Seoul etwa, als die eingeflogenen Fahrräder des Bahnrad-Teams auf einmal verschollen waren. „Tagelang haben wir gesucht“, sagt Bueble, „dann fanden wir sie durch Zufall.“ Sie waren einfach in eine ganz falsche Halle geliefert worden, am anderen Ende der Stadt. So als ob eine für die Münchner Olympiahalle bestimmte Lieferung in der Unterhachinger Volleyball-Arena landen würde.

Und dann gab es auch 2008 in Peking große Aufregung. Wegen einer Tasche von Matthias Steiner. Auch sie war plötzlich futsch, darin war sein gesamtes persönliches Gewand. Das war schlimm. „Superschwergewichtler sind sehr sensible Charaktere", sagt Bueble, und gerade bei einem Matthias Steiner, der doch kurz zuvor seine Frau bei einem Autounfall verloren hatte. Und so machten sich Bueble und der kundige Cheftrainer der Gewichtheber auf den Weg und kauften in der ganzen Stadt Ersatz. Hosen, Hemden, Jacken, alles in XXL und mehr. „Wir haben es ganz gut hinbekommen", sagt Bueble, „der Matthias hat den Unterschied kaum mehr gemerkt." Und dass er am Ende Gold holte, das machte dann auch Bueble ein wenig Stolz.

Auch in Vancouver wird er nun fürs Wohlfühlen sorgen. Dazu gehört auch die Verteilung der 21 Sponsor-Autos und der elf Geländewagen an Trainer, Athleten, Funktionäre. „Egal ob sie zur Mannschaftsführersitzung müssen oder Sightseeing machen wollen", sagt er, „die müssen sich einfach nur bei mir melden." Schon gibt es den Schlüssel.

Von den Wettbewerben selbst wird Bueble wenig mitbekommen, wenn das ganze Material da ist, geht es in Gedanken schon wieder an den Rückflug. Dann sitzt er zwar noch nicht wieder auf gepackten Koffern, aber sicher schon wieder auf glühenden Kohlen.

Und dann ist auch Schluss. 59 ist der studierte Gymnasiallehrer aus dem hessischen Bad Vilbel inzwischen, Vancouver sind seine letzten Spiele, dann geht er in Vorruhestand: London, Sotschi, Rio, die nächsten Spiele werden dann seine Nachfolger koordinieren. Und so wird er sich mit seinem jetzigen Abschied einen Wunsch nicht mehr erfüllen können. „Die Winterspiele 2018“, sagt er noch, „wenn die in München wären, das wäre für mich als Logistiker natürlich wirklich ein Traum.“

Denn da bräuchte er gar nicht erst einpacken.

Florian Kinast

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