Sportfunktionäre: Die schlechten Verlierer

Die Bewerbung ist beim Bürger durchgefallen – aus guten Gründen. Doch statt umzudenken, sind die Sportfunktionäre beleidigt und stur.
Gunnar Jans |
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DSV-Präsident Alfons Hörmann und Skirennläuferin Maria Höfl-Riesch gehören auch zu den Verlierern.
dpa DSV-Präsident Alfons Hörmann und Skirennläuferin Maria Höfl-Riesch gehören auch zu den Verlierern.

Am Abend, als die Messe gelesen und die Spiele verloren waren, noch ehe die Bewerbung ihren Lauf nehmen konnte, da trafen sie noch einmal aufeinander, die alte und die neue Welt. Nur dass die Alten nichts verstanden hatten von dem, was sich an diesem denkwürdigen Tag abgespielt hat, als die Bayern den Traum von Olympischen Winterspielen trümmerten.

Nicht als Zeichen gegen den Sport, sondern gegen das Internationale Olympische Kommitee zu verstehen sei das Votum der Wähler, das klare 0:4 der Befürworter von München 2022, die Ablehnung in allen vier Kommunen, sagte Ludwig Hartmann, Sprecher von „Nolympia“, im „Blickpunkt Sport“ des BR: „Nicht der Sport hat verloren, sondern das IOC.“

„Es hat sich gezeigt, dass man sich keine Spiele mehr kaufen kann“, besser als der NOlympia-Sprecher kann man es nicht formulieren. Weniger aus Angst vor drohenden Umweltbelastung haben sich die Menschen gegen Olympia entschieden – sondern weil sie Spiele ablehnen, die dies Wort nicht verdient haben, da sie in erster Linie der Profitmaximierung der Funktionärsverbände und Sportwirtschaft zu dienen scheinen. Die besten Argumente der Gegner waren: die „Knebelverträge“ durch das IOC, und die falsche Risikoverteilung: Den Gewinn will das IOC abschöpfen, für Verluste muss der Steuerzahler büßen.

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Es war die Angst vor solcher Art Großveranstaltungen, die den Olympiagegnern eine Mehrheit brachte und das ungute Gefühl, dass hier die Falschen verdienen, dass dies ein Prinzip der organisierten Sportwelt ist, dem immer weniger etwas abgewinnen können. Im Umkehrschluss könnte das das Votum von München auch eine Chance bedeuten: Dass sich ausgerechnet im Land des neuen IOC-Präsidenten eine solche Ablehnung manifestiert, ist ein Denkzettel für Thomas Bach, den neuen Weltsportfunktionär. Bach habe „einen riesigen Sack von Problemen vor der Tür liegen in Bezug auf Sauberkeit, Doping, Bestechlichkeit, Transparenz", sagt Manfred von Richthofen, Ehrenpräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, „auf der Straße heißt es doch nur noch: Um Gottes Willen, was ist das IOC nur für eine Organisation?"

Doch Bach, der seinen Aufstieg beim IOC generalstabsmäßig plante – er schweigt. Zum Scherbenaufkehren hat er Alfons Hörmann geschickt, seinen designierten Nachfolger an der Spitze des DOSB.

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Der Präsident des mächtigen Deutschen Skiverbands wirkt geradezu persönlich beleidigt. Es gebe keine Knebelverträge durch das IOC und auch keine Alternative bei der Ausrichtungen solcher Großveranstaltungen, sagt er trotzig und macht deutlich, dass ein Umdenken, eine Neuausrichtung des DOSB unter seiner Führung nicht stattfinden wird: „Jede Verbandsstruktur profitiert von den Einnahmen des IOC“, sagt Hörmann. Wie wenig er das Votum der bayerischen Mehrheit verstanden hat, wie wenig er bereit ist, auf die Bürger zuzugehen, wird deutlich, als er den grünen Fraktionschef Hartmann offenbar als Rädelsführer ausmacht: „Die Karawane zieht weiter“, giftet er den NOlympia-Mann an, weil dieser auch Kritik an den Organisationen der Fußball-Weltmeisterschaften 2022 in Kartar übte: „Hier wird Fundamental-Opposition gegen den Sport gemacht.“

Dabei ist es die Karawane der Funktionäre, die weiterzieht, irgendwohin, wo ihre Machenschaften weniger kritisch hinterfragt werden. Süffisant weist Hörmann auf „die neue Rekordzahl von Bewerbern“ für die Winterspiele 2022 hin und darauf, dass Deutschland eine historische Chance verpasst habe. Dass die Gelder, die für Olympia eingesetzt worden wären, jetzt, stattdessen dem Breitensport oder Nachwuchs zugute kommen, wie viele es wünschen, das ist für den künftigen DOSB-Boss ein naiver, geradezu weltfremder Ansatz. Dem kann einer wie er nur mit Arroganz begegnen: „Wer diesem blöden Traum nachgeht“, sagt Hörmann im „Blickpunkt Sport“, „wird sich täuschen.“ Das klingt wie eine Drohung, ausgesprochen von einem schlechten Verlierer.

Umdenken? Ach was. Selbst schuld, wenn die Bayern zu blöd sind – so ist der Tenor bei der Sportlobby, deren schöner Traum durch ahnungslose Bürger zerstört wurde. „Der eine oder andere wird es vielleicht später noch bereuen“, sagte Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch laut "dpa", und ihr Mann und Manager Marcus Höfl twitterte: „Bleibt zu hoffen, dass es den Gegnern 2022 und danach so gut geht, wie sie jetzt glauben.“ Eisschnellauf-Präsident Gerd Heinze wetterte: „Die Bayern haben keinen Arsch in der Lederhose!“, was bedeuten soll: Sie wollten das Risiko, die Lasten zu tragen, nicht eingehen. Dabei hatten sie durchaus Mut: nämlich Nein zu sagen, sich dem Kommerz zu verweigern. Und das in der Stadt, die immer schöner, größer, reicher werden will, und auf dem Land, das vom Ski-Tourismus profitiert.

Damit hatte die Sportwelt nicht gerechnet, und damit kommt sie nun noch nicht zurecht. Maria Höfl-Riesch schaut irritiert, als ein BR-Reporter sie am Abend der Niederlage auf ihre in den Farben der fünf olympischen Ringe lackierten Nägel anspricht. Das seien aber schöne Fingernägel, ruft ihr der Reporter hinterher. Maria murmelt: „Wenigstens das.“ Und tritt ab.

(Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes hatten wir berichtet, Maria Höfl-Riesch habe "bei Facebook geschrieben": "„Der eine oder andere wird es vielleicht später noch bereuen.“ Tatsächlich findet sich dieses Zitat nicht auf der Facebookseite von Höfl-Riesch, Quelle des Zitats von Höfl-Riesch ist die Deutsche Presse-Agentur dpa.)

 

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