Spiel mit dem toten Vater

Wegen seiner Sex-Affären hat Tiger Woods 35 Millionen Werbegelder verloren. Rechtzeitig zum Start der US Open, zeigt Nike einen neuen Spot – in dem Earl Woods (†) den Ankläger spielt.
von  Abendzeitung
Der reuige Sünder_ Tiger Woods in einem Werbespot des Sportartikelherstellers Nike.
Der reuige Sünder_ Tiger Woods in einem Werbespot des Sportartikelherstellers Nike. © dpa

Wegen seiner Sex-Affären hat Tiger Woods 35 Millionen Werbegelder verloren. Rechtzeitig zum Start der US Open, zeigt Nike einen neuen Spot – in dem Earl Woods (†) den Ankläger spielt.

AUGUSTA Wer kennt es nicht aus seiner Kinderzeit, dieses Gefühl, wenn man was ausgefressen hatte, wenn man für seine – kleinen oder großen – Sünden gerade stehen musste, man vom Vater die Leviten gelesen bekam?

Nun, die Sünden des Tiger Woods sind exorbitant. Er hat seine Frau Elin Nordegren belogen und dauerbetrogen. Immer mehr Frauen, die der Tiger behüpft hat, darunter Porno-Darstellerinnen, veröffentlichen intimste Details von der abgrundtief schwarzen Seite des Tigers. Verfehlungen, von denen kein Vater glaubt, dass sein Sprössling sie begehen würde.

Mit dieser Situation spielt nun Sportartikelhersteller Nike, einer der Sponsoren, der nicht nach den Enthüllungen Reißaus nahm, sondern dem untreuen Tiger die Treue hielt. Im neuen schwarz-weiß-Werbespot ist die Kamera auf das Gesicht des Tigers gerichtet, aus dem Off erklingt die Stimme seines verstorbenen Vaters Earl, der den kleinen Tiger einst zum Ausnahme-Golfer formte. „Tiger, ich will wissen, was dich getrieben hat, was deine Gedanken waren, was deine Gefühle dabei waren. Und vor allem will ich wissen: Hast du daraus deine Lehren gezogen?“

Die Kamera ist dabei in Großaufnahme auf das schuldbewusste Gesicht des Sohnes gerichtet. „Die Sex-Affären polarisieren gerade im prüden Amerika enorm“, sagt Marketing-Experte Peter Ehm, Chefredakteur der Marketing-Zeitschrift „Horizont“. „Bildlich gesprochen: Die gleichen Mütter, die bisher ihre Kinder zu dem Saubermann Woods schickten für ein Autogramm, halten ihnen nun die Hände vor die Augen, damit sie diesen Sünder nicht sehen müssen. Woods war ein Heiliger. Jetzt ist er in die Hölle gestürzt. Mit dieser Sünderthematik spielt der Spot gekonnt. Es ist der Versuch, den Tiger als Werbefigur zu retten.“

Woods versucht auch seine Sportkarriere zu retten. Fünf Monate nachdem seine Affären publik wurden, startet er bei den US Open in Augusta sein Comeback. „Woods ist zum sportlichen Erfolg verdammt“, sagt Ehm, „wenn er es sportlich nicht schafft, ist er in der Öffentlichkeit in den USA auch als Mensch durch. In der Hierarchie der Sünden sind Sex-Geschichten in den USA die unterste Schublade.“

Schon jetzt haben Woods seine Affären Millionen gekostet. Laut einer US-Studie muss Woods auf bis zu 50 Millionen Dollar verzichten. Bereits vier Sponsoren (Accenture, AT&T, Gatorade und General Motors) sind abgesprungen. Damit sind Werbegelder von 35 Millionen Dollar futsch. Weitere Firmen überlegen noch, ob sie abspringen. Nachvollziehen kann Woods die Entscheidungen sehr wohl: „Ich verstehe, warum Sponsoren sich getrennt haben. Ich habe mich vor mir selbst geekelt.“

Ekel, den wohl auch Vater Earl empfunden hätte. Dass der Tote jetzt für einen Werbespot instrumentalisiert wurde, um das Image des Sohnes zu retten, ist geschickt inszeniert. Aber auch etwas ekelhaft.

.M. Kerber/M. Wessing

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.