Speerwurf-Debakel: "Das ist nicht zu erklären"
Steffi Nerius, Speer-Weltmeisterin von 2009, spricht im AZ-Interview über das schlechte Abschneiden der deutschen Speerwerferinnen und die Nominierung.
AZ: Frau Nerius, auch die Entscheidung bei den Speerwerferinnen fiel so gegen kurz vor drei. Haben Sie sich auch die Nacht um die Ohren gehauen?
STEFFI NERIUS: Ich hab’ mir den Wecker auf zwei Uhr gestellt und noch dem David Storl zwei Durchgänge lang beim Kugelstoßen zugeschaut. Aber so richtig gelohnt hat sich das ja alles nicht.
Nicht wirklich. Und das, obwohl es mit Ex-Weltmeisterin Christina Obergföll, der EM-Zweiten Linda Stahl und der deutschen Meisterin Christin Hussong gleich drei deutsche Athletinnen in den Endkampf schafften – eine Quote, von der andere Leichtathletikverbände nur träumen können.
Warum dabei nicht mehr heraussprang als die Plätze acht, elf und zwölf, das ist vom Fernseher aus schwer zu erklären. Ganz offensichtlich lief es nicht. 54, 57 oder 58 Meter wie bei Christin: Das kann man von hier aus nicht erklären. Bei Linda war es ja auch nicht viel besser. Und Christina? Naja, eigentlich auch nicht wirklich besser. Immerhin ein 62er, aber ansonsten hat sie auch nicht so toll geworfen.
Bedingungen nicht schuld am Debakel
Woran lag’s?
An den Bedingungen jedenfalls nicht. Wenn da eine Landesrekord wirft und ein paar auf über 64 Meter kommen, dann können die Bedingungen nicht so schlecht gewesen sein. Der Ausgang war jetzt nicht sensationell, das heißt es war alles möglich, was im Nachhinein natürlich schade ist. Die Siegerweite hätten alle unsere Mädels werfen können. Ich habe mal die Stimmen zum Ergebnis gelesen. Da kann man so einiges raus hören: Offenbar hat die Nominierung die drei ganz schön gestresst.
Sie meinen die Causa um Weltmeisterin Katharina Molitor, die vor Gericht versuchte, sich mit einer einstweiligen Verfügung den Olympiastart zu erstreiten.
Es war halt so, dass es diesmal vier Anwärterinnen für drei Startplätze gab. Das hatten wir in den 90er-Jahren auch immer. Diese Diskussion hätte man vermeiden könne, wenn die Bundestrainerin nicht so schwammige Aussagen gemacht hätte, sondern eine klare Ansage. Da muss man halt sagen: ‘Mädels, die ersten drei bei der deutschen Meisterschaft fahren mit!’ Oder man macht noch einen Ausscheidungswettkampf.
So ist das im Leistungssport: Wenn man weiß, wo man dran ist, ist alles nachvollziehbar. So aber gab es total viele Argumente für Katharina, genauso viele für Christina – und keine klare Ansage. Das darf nicht sein. Das bringt Unruhe rein und schadet der Fokussierung. Deshalb muss man der Bundestrainerin ein bisschen die Schuld an diesem Ergebnis geben.
Kritik an Sprintern
Deutschland gilt traditionell als Land der Stoßer und Werfer. Diesmal allerdings hält sich der Erfolg in Grenzen.
Das passiert halt mal. Selbst mit seiner Bestleistung wäre David Storl nur Zweiter geworden. Viele haben einfach ihre Leistungen nicht abgerufen. Die Diskus-Mädels haben auch alle ein anderes Niveau als das, was sie im Wettkampf gezeigt haben. Natürlich ist es schwierig, zum Saisonhöhepunkt Bestleistung zu bringen – aber wir sind schließlich Menschen. Dass die Werfer jetzt mal nicht so richtig top drauf waren, ist die Ausnahme. Wenn ich die Sprinter sehe: Bei denen ist das jedes Mal so, dass die an ihrem Weltrang vorbei rauschen. Das ist wie ein Strudel: hier klappt’s nicht, da klappt’s nicht.
Haben Sie eine Lösung parat?
Vielleicht muss man sich auch mal von der Erwartung lösen, dass die Werfer und Stoßer immer erfolgreich sind. Es gab ja auch andere gute Ergebnisse: Malaika Mihambo springt mit gigantischen 6,95 Metern Bestleistung und wird Vierte – damit hätte man früher eine Medaille geholt. Oder Kai Kazmirek im Zehnkampf: mit Bestleistung Vierter. Die haben alles abgerufen. Manchmal müssen halt andere über sich hinauswachsen, wenn es bei den „sicheren“ Medaillenkandidaten nicht so klappt.
- Themen: