So einer ist Heiner

Buddha mit Bart – oder doch Faustkämpfer? Die zwei Gesichter des Handball-Bundestrainers Brand.
von  Abendzeitung
Geballte Wut: Bundestrainer Heiner Brand hat es auf den Schiedsrichter abgesehen.
Geballte Wut: Bundestrainer Heiner Brand hat es auf den Schiedsrichter abgesehen. © sampics

Buddha mit Bart – oder doch Faustkämpfer? Die zwei Gesichter des Handball-Bundestrainers Brand.

ZADAR Da war er wieder, der böse Bube des deutschen Handballs. Heiner Brand in seiner Paraderolle. Eine Rolle, die er zu aktiven Handballer-Zeiten ständig spielte. Eine Rolle, die in den letzten Jahren, seit er Bundestrainer ist, fast in Vergessenheit geraten ist.

Doch nach der 24:25-Pleite bei der WM gegen Norwegen ging Brand mit puterrotem Zornesschädel und erhobener Faust auf die slowenischen Schiedsrichter los. Zum Eklat, zu einer Prügelei mit den Referees, fehlte nicht viel. „Wenn man Heiner noch ein Messer in die Hand gepackt hätte, wäre das eine perfekte Szene für einen Horrorfilm gewesen“, sagt Brands jahrelanger Teamkollege Erhard Wunderlich, Deutschlands Handballer des Jahrhunderts, der AZ. „Aber so kenne ich Heiner von früher, er war auf dem Feld stets der Böse. Er hat zwei Gesichter.“

Dr. Heiner und Mr. Brand. Am Montag, dem Tag vor dem entscheidenden WM-Hauptrunden-Spiel gegen Dänemark (Di., 17.30 Uhr, RTL live), hatte er sich wieder gefangen. „Das war ein Ausbruch der Ohnmacht, ich war erschrocken, als ich die Bilder von mir sah. Aber in meinem Alter ist die Kraft in der rechten Geraden auch nicht mehr vorhanden“, flüchtete sich der 56-Jährige in Humor, „ich verabscheue Gewalt.“ Doch wie ist Brand, dem für seine Aktion keine Sperre durch den Verband droht, wirklich?

Der Familien-Brand

Seit 1975 ist er mit Christel, einer Grundschullehrerin verheiratet. Sie haben zwei Kinder. Sohn Markus kam 1976 zur Welt. Es war eine nicht geplante Schwangerschaft, die Brands Lebenspläne durcheinanderwirbelte. Dadurch war das Verhältnis zum Sohn lange problematisch. Mittlerweile führen beide zusammen eine Versicherungsagentur. Die Brands leben in einem Doppelhaus in Gummersbach, in dem schon Heiners Eltern lebten. Sein Lieblingsort ist die Terrasse, da grillt er gerne. Und er freut sich über den Besuch der Enkel: „Sie geben mir Ruhe und Kraft.“ Ihre Fotos hat er immer im Portemonnaie. Im Haushalt hält Brand sich zurück, nur mit dem Handstaubsauger geht er gerne auf Krümeljagd.

Der Freund Brand

Mit seinem früheren Teamkollegen Jo Deckarm, der bei einem schrecklichen Unfall 1979 gegen Tatabánya schwerste Gehirnverletzungen erlitt und seit langem in einer Einrichtung für betreutes Wohnen lebt, verbindet ihn eine innige Freundschaft. Sie telefonieren oft, Brand besucht Deckarm regelmäßig, dann spielen sie Skat. Als die Finanzierung von Deckarms Aufenthalt nicht mehr gesichert war, schaltete sich Brand ein. Er organisierte, dass sich die Sporthilfe der Sache annahm. Auch sonst tut er viel für seine Gummersbacher Freunde, vom Busfahrer bis zu Pressesprecher Charly Hühnergarth umgibt er sich gerne mit dem Gummersbacher Zirkel. Er ist zudem mit „De Höhner“-Mitglied Janus Fröhlich befreundet. Der rheinische Humor verbindet sie.

Der Prinzipien-Brand

Als Brand 1997 die DHB-Auswahl übernahm, war er knallhart. „Schlimmer als beim Militär“, erinnert sich Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar. Es gab einen Zapfenstreich – und Brand saß auf dem Gang und kontrollierte. Ketchup, Mayonnaise oder Cola waren verboten. Erst mit den Erfolgen wurde Brand lockerer. Jetzt darf nach Erfolgen bei McDonalds gefeiert werden. Wichtig sind ihm gute Manieren. Baseballkappen beim Essen sind ihm ein Gräuel. Als er Gummersbach trainierte, setzte er sich mit dem Rücken zum Team, um deren Gebaren nicht sehen zu müssen.

Brand außer Kontrolle

„Heiner ist ein Gerechtigkeitsfanatiker. Strafen für Dummheit und Brutalität hat er als Spieler immer klaglos akzeptiert, aber wenn er sich ungerecht behandelt fühlte, ging es mit ihm durch. So wie jetzt bei dieser Aktion“, sagt Wunderlich, „er kann brüllen, dass die Wände wackeln.“

Gerade Spieler, die in Brands Augen dem Gegner keinen Respekt zeigen, oder das Ich über das Wir stellen, kann der Rheinländer nicht leiden. Kretzschmar hielt er anfangs für einen Selbstdarsteller. Jahrelang herrschte Funkstille. Bis Kretzsche den ersten Schritt machte und anrief. Brands erste Worte: „Was willst du?“ Sie sprachen sich aus. Und der Handball-Punk kam runter von der Schwarzen Liste. Kretzschmar: „Heiner ist ein feiner Kerl, wenn man ihn kennt.“ So einer ist Heiner.

Matthias Kerber

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