Schwung holen! Deutschlands Alpine im AZ-Check
München, Sölden - Frischer Wind ist eine feine Sache. Doch was das jüngste Sturmtief mit den unlängst noch grasgrünen Hängen im Ötztal anstellte, hat mit einem lauen Lüftchen nichts mehr zu tun. Wenn am Samstag (Frauen) und Sonntag (Männer, jeweils 9.30 Uhr und 12.45 Uhr im ZDF) der alpine Weltcup-Zirkus wieder den Betrieb aufnimmt, wird er das nach 90 Zentimetern Neuschnee in einer Winterwunderlandschaft tun.
Die ersten Riesenslaloms dieser WM-Saison (2.-15. Februar in Vail/Beaver Creek) werden auch zeigen, wie sturmerprobt das deutsche Alpin-Team schon ist. Da hat sich nämlich einiges getan: Seriensiegerin Maria Höfl-Riesch hat ihre erfolgreiche Karriere beendet und ist als TV-Expertin ans Moderatorenpult gewechselt, wo die 29-Jährige ihren Lieblingskritiker Markus Wasmeier verdrängt. Mit Mathias Berthold (Männer) und Markus Anwander (Frauen) wurden zwei neue Bundestrainer installiert; Ex-Männer-Chef Charly Waibel bleibt dem Verband als Bundestrainer im wissenschaftlich-technologischen Bereich erhalten.
Alpin-Direktor Wolfgang Maier peilt für die WM drei Medaillen an („Eine bei den Männern, eine bei den Frauen, eine im Teamwettbewerb“), ist sich aber bewusst, dass diese Saison eine des Übergangs ist: „Wir sind nicht ganz so blank, wie es im ersten Blick nach der letzten Saison ausgesehen hat.“
Das deutsche Team im AZ-Check
Männer:
So wie Höfl-Riesch bei den Frauen die Galionsfigur war, so ist es Felix Neureuther bei den Männern. Wenige Tage vor Saisonstart musste er wegen anhaltender Bandscheibenprobleme passen: „Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht“, sagte der 30-Jährige, „die Schlechte ist: Ich muss den Riesenslalom in Sölden leider absagen. Die Gute: Meinem Rücken geht es besser. Im Slalom funktioniert es schon ganz gut.“
Was Vater Christian der AZ bestätigte: „Da ist er fast schon wieder auf dem alten Niveau.“ Der Sympathieträger vom SC Partenkirchen konzentriert sich nun auf den ersten Slalom der Saison Mitte November in Levi.
Was die technischen Disziplinen angeht, sieht es auch ohne Neureuther gut aus: Sieben Startplätze haben die Deutschen im Riesenslalom – so viel wie noch nie zuvor, sogar zu viel. Mit Fritz Dopfer (SC Garmisch), Stefan Luitz (SC Bolsterlang), Alexander Schmid (SC Fischen), Dominik Schwaiger (WSV Königssee), Benedikt Staubitzer (SC Mittenwald) und Linus Strasser (TSV München 1860) gehen sechs Mann in Sölden an den Start. „Dopfer und Luitz haben große Chancen, um die Podestplätze mitzufahren“, sagt Maier.
Problematischer ist die Lage in den Speed-Disziplinen. Da hat der vom österreichischen Verband zurückgekehrte Mathias Berthold eine Herkulesaufgabe vor sich. Er sagt: „Wir haben gute Leute, aber das ist eine zarte Pflanze. In Österreich hast du einen Baum, den kannst du nicht umhauen: Da sind so viele Junge, die nachkommen. Bei uns wackelt bei Verletzungen das Ganze.“
Bertholds ehrgeiziges Ziel: In vier Jahren bei Olympia soll das Herren-Team in jeder Disziplin um Medaillen fahren können. Die gute Nachricht: Der Oberstdorfer Tobias Stechert trainiert nach seiner Knieverletzung wieder schmerzfrei und „bildet die Speerspitze der Speed-Mannschaft“, so Alpin-Direktor Maier. Mit Podestplätzen sei hier allerdings so schnell nicht zu rechnen.
Frauen:
Nach dem Rücktritt der Medaillengarantin Höfl-Riesch spielen die DSV-Bosse auf Zeit – notgedrungen. Außer Riesenslalom-Ass Viktoria Rebensburg gibt es derzeit keine DSV-Fahrerin von internationalem Format. Maier: „Wir planen mit einem Zeitkorridor von zwei Jahren. In dieser und auch in der nächsten Saison werden wir den jungen Damen die nötige Zeit geben, um sich in die Weltspitze zu entwickeln. Ich gehe davon aus, dass wir spätestens in der WM-Saison 2016/17 wieder mit einem schlagkräftigen Team präsent sind und dann mehr als eine Läuferin um Medaillen mitfahren kann.“
Will sagen: Heuer könnten die Podestplätze rar werden. Gerade in den Speed-Disziplinen sieht es düster aus. Findet auch Höfl-Riesch: „In der Abfahrt ist das Team leider sehr dünn aufgestellt. Da trat in den vergangenen Jahren außer mir kaum jemand in Erscheinung. Vielleicht kann Vicky da einen Schritt nach vorn machen.“ Die 25-jährige Tegernseerin wird zwar auch in Abfahrt und Super-G an den Start gehen, will sich aber nach einem Materialwechsel (von Nordica zu Stöckli) vor allem auf ihre Spezialdisziplin Riesenslalom konzentrieren: „Da möchte ich wieder ganz nach vorne.“
Außer der Olympiasiegerin von Vancouver gehen in Sölden noch Lena Dürr (Germering), Simona Hösl (Berchtesgaden) und Veronique Hronek (Unterwössen) ins Rennen. 2010 erwischte Rebensburg am Rettenbachferner einen blendenden Start: Sie holte ihren ersten Weltcupsieg überhaupt.