Interview

Schwimmerin Elena Krawzow über "Playboy"-Shooting: "Teile der Familie sprechen bis heute nicht mit mir"

Schwimmerin Elena Krawzow hat sich 2020 für den "Playboy" ausgezogen, die Reaktionen darauf waren teils heftig. In der AZ spricht sie über die Botschaft dahinter und ihren Gold-Traum bei den Paralympics.
Krischan Kaufmann
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"Mir fehlt eben noch diese Goldmedaille bei paralympischen Spielen - ich bin eine Perfektionistin, für mich selbst wäre das schon sehr wichtig", sagt Elena Krawzow.
"Mir fehlt eben noch diese Goldmedaille bei paralympischen Spielen - ich bin eine Perfektionistin, für mich selbst wäre das schon sehr wichtig", sagt Elena Krawzow. © imago images/Laci Perenyi

München - AZ-Interview mit Elena Krawzow: Die 27-Jährige leidet an der Erb-Erkrankung Morbus Stargardt, die die Sehfähigkeit stark einschränkt und zur Erblindung führt.

AZ: Frau Krawzow, die Paralympics standen genauso wie die Olympischen Spiele lange auf der Kippe. Wie groß ist bei Ihnen die Erleichterung, dass Sie nun mit einem Jahr Verspätung doch noch in Tokio gelandet sind?
ELENA KRAWZOW: Ich bin irgendwie immer noch ganz durcheinander. Die Verschiebung der Spiele war nicht so optimal für mich, denn 2019 war bislang meine beste Saison, ich war top vorbereitet für 2020 - und dann sitzt du auf der Couch und bekommst die Nachricht, dass die Paralympics abgesagt werden. Da bin ich echt in ein Motivationsloch gefallen, ich wusste gar nicht mehr, worauf ich mich vorbereiten sollte. Dieses Jahr war mental das schwerste in meiner bisherigen Karriere. Und dann haben wir auch noch ein paar technische Sachen umgestellt und damit bin ich auch überhaupt nicht klar gekommen.

Dann sollte Ihnen aber die Geschichte von Malaika Mihambo Mut machen. Die deutsche Weitsprung-Queen hatte vor Tokio ihren Anlauf umgestellt und dann mit ganz ähnlichen Problemen zu kämpfen. Wie es für sie ausgegangen ist, haben Sie wahrscheinlich mitbekommen, oder?
Ja klar, sie hat die Goldmedaille gewonnen. Bei ihrer Geschichte musste ich tatsächlich auch an mich denken. Ich kann gut nachvollziehen, dass ihr diese Selbstsicherheit gefehlt hat. Wir haben jetzt auch alles versucht, dass ich dieses Gefühl wiederbekomme und ich hoffe einfach, dass es uns gelungen ist.

Sie haben auch mit einer Mentaltrainerin gearbeitet, um sich aus diesem Motivationsloch wieder herauszuarbeiten.
Ja, denn man muss eben nicht nur körperlich, sondern auch im Kopf für den Tag X perfekt vorbereitet sein. Außerdem ist es ja ein enormer Druck, der da von außen auf einen einwirkt, von der Familie, von Menschen, die das sich gar nicht böse meinen. Aber wenn dir jeder schreibt "Hol Gold, Elena!" dann musst du damit auch erstmal lernen, umzugehen. Dabei hat mir meine Mentaltrainerin schon sehr geholfen.

Fühlen Sie sich nun besser vorbereitet als bei den Spielen in Rio, wo Sie seinerzeit als die große Favoritin angereist sind, dann aber "nur" Fünfte wurden und - wie Sie selbst im Nachhinein zugegeben haben - vor allem an den sehr hohen Erwartungen gescheitert sind?
Damals waren sich alle sicher, dass ich Gold hole - und ich war mir auch sicher. Naja, und dann bin ich ganz schön auf die Schnauze gefallen. Ich war 2016 mental einfach nicht bereit.

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Und deshalb haben Sie sich für Tokio gar keine Ziele gesetzt, quasi um sich selbst auszutricksen?
(lacht) Nein, denn als Sportler muss man sich Ziele setzen. Mein größter Wunsch ist nach wie vor, Gold zu holen und dafür habe ich jetzt fünf Jahre hart gearbeitet.

Sie sind auf Ihrer Paradestrecke, 100 Meter Brust, Weltmeisterin, mehrfache Europameisterin, haben bei den Paralympics in 2012 in London die Silbermedaille geholt - warum wäre Ihre Karriere ohne Gold in Tokio dennoch unvollendet?
Ja, ich habe fast alles gewonnen, habe so viele Weltrekorde aufgestellt. Aber mir fehlt eben noch diese Goldmedaille bei paralympischen Spielen - ich bin eine Perfektionistin, für mich selbst wäre das schon sehr wichtig.

Sie haben im letzten Jahr als erste sehbehinderte Athletin mit einem "Playboy"-Cover-Shooting weltweit für Aufsehen gesorgt. Hat der Riesen-Rummel, der danach um Ihre Person entstanden ist, nicht die Vorbereitung auf die Gold-Mission gestört?
Nein, überhaupt nicht. Das Shooting war ja genau während der Hochphase der Corona-Pandemie, wo ich eh nicht trainieren konnte, und deshalb war es für mich ein Segen, weil ich dadurch eine Ablenkung, ein paar Glücksmomente und auch wieder Erfolgsmomente hatte. Mein Instagram-Account ist in dieser Zeit explodiert, so viele Menschen haben mir geschrieben. Für mich war das positive Energie.

"Ich glaube, dass ich vielen Menschen damit Mut und Kraft gegeben habe", sagt Elena Krawzow über ihr "Playboy"-Shooting.
"Ich glaube, dass ich vielen Menschen damit Mut und Kraft gegeben habe", sagt Elena Krawzow über ihr "Playboy"-Shooting. © Playboy/ho

Das Echo auf diese Aktion war gewaltig - nicht nur positiv.
Ich habe mich zu diesem Shooting entschieden, obwohl ich wusste, dass meine Familie dagegen ist. Ich komme ja ursprünglich aus Kasachstan, das ist ein muslimisches und sehr konservatives Land. Teile meiner Familie sprechen bis heute nicht mit mir. Aber die Botschaft, die hinter diesen Fotos steckt, war mir viel wichtiger, als was Teile meiner Familie darüber denken. Ich glaube, dass ich vielen Menschen damit Mut und Kraft gegeben habe. Und das macht mich stolz, dass ich diesen Schritt für die Welt gewagt habe. Aber wissen Sie, was lustig ist?

Bitte erzählen Sie es uns.
Obwohl die Reaktionen überall auf der Welt rundum positiv auf das Shooting ausgefallen sind, haben in Deutschland viele Menschen Angst, mit mir über die "Playboy"-Fotos zu sprechen. Ich denke mir dann jedes Mal: Hey Leute, was ist los mit euch? Ich habe diese Fotos doch extra deshalb gemacht, damit wir darüber reden - und nicht, damit alle darüber schweigen. Ich wollte damit ja eine Botschaft senden. Aber leider ist so etwas hierzulande wohl immer noch ein Tabu, die Scham ist offenbar sehr groß, mich auf die Fotos anzusprechen. 

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