Schwimmer bei Olympia: "Gelder verballert!"
Bei den Schwimmern brennt’s. Ob Britta Steffen weitermacht, ist offen. Ex-Weltmeister Mark Warnecke attackiert die Funktionäre
LONDON Bald ist er vorbei, der Alptraum. Bald geht es in den Urlaub, an die Ostsee, weit weg von Schwimmbadkacheln und Hundertstelanzeigen. Weg vom Frust. Mal ein Buch lesen, wie Paul Biedermann auf der Zuschauertribüne. Spätestens am Samstag ist seine Freundin durch mit den Wettkämpfen bei Olympia, die bislang so bitter verliefen für Britta Steffen, die Doppel-Olympiasiegerin von Peking. Bleibt die Frage: Wie geht’s weiter? Oder: Geht’s überhaupt weiter? Eine Frage, die sich auch den Chefs des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) stellt.
Bei Steffen stehen die Chancen 50:50. Die Heim-EM 2014 in Berlin dürfte sie wohl nochmal reizen. Selbst ein Start über 50 Meter bei Olympia 2016 in Rio ist nicht völlig ausgeschlossen. Andererseits: Macht das nach dem Halbfinal-Aus über 100 Meter Freistil noch Sinn? Die Zeiten sprechen gegen sie, nicht nur die im Becken. Ihr Alter wird eine immer größere Rolle spielen. Eine Entscheidung will Steffen in Ruhe treffen, mit etwas Abstand. „Es wäre Quatsch, jetzt anzufangen darüber zu plappern. Hier lebt man ja gerade wie in einer Blase”, sagte Steffen, wies aber auch daraufhin: „Ich bin fast 29 und werde nicht jünger.” Das Halbfinale dürfte ihr letztes Rennen über 100 Meter gewesen sein. „Vielleicht”, sagte Steffen, „ist meine Zeit einfach vorbei, was die 100 Meter betrifft.”
Ihr Trainer Norbert Warnatzsch würde jede Entscheidung respektieren. „Wenn sie weitermachen will, hat sie meine volle Unterstützung. Wenn sie aufhören will, ist das auch zu verstehen”, so Warnatzsch. Und die DSV-Bosse? Scheinen an ihren Posten zu kleben. Oder spielen auf Zeit. „Bei Schnellschüssen werden häufig Fehler gemacht. Wir müssen die Ergebnisse erst mal verkraften und werden sie dann in Ruhe analysieren”, sagte DSV-Leistungssportdirektor Lutz Buschkow. Es sei nicht alles schlecht gewesen in den vergangenen Jahren, sagt Buschkow und verweist auf Erfolge bei WM und EM: „Olympia ist ein Mosaikstein.”
Bemerkenswert. Eigentlich sollte Olympia das große Ziel im Vierjahreszyklus sein und alles andere Mosaiksteine, die sich bei Olympia zusammenfügen. Der Vertrag von Buschkow läuft bis Jahresende. Er sieht offenbar keinen Grund, seinen Posten zu räumen - obwohl die Schwimmer wohl erstmals nach 80 Jahren ohne Medaille bleiben werden. Vielmehr soll im Herbst ein neuer Bundestrainer gefunden werden. Ende 2011 hatte sich der DSV von Dirk Lange getrennt und war ohne Chefcoach ins olympische Jahr gegangen.
Stützpunkttrainer Michael Spikermann sagte: „Alle Trainer, Betreuer und Verantwortlichen müssen sich Asche auf das Haupt streuen, denn es sind die vierten Olympischen Spiele hintereinander, bei denen wir hinter den Erwartungen zurückblieben.” Deutlicher wurde Ex-Weltmeister Mark Warnecke: „Unabhängig davon, was Britta Steffen über die 50 Meter noch leistet, haben wir es geschafft, unsere Talente systematisch im Keim zu ersticken – das ist auch eine Kunst", schrieb der Olympia-Dritte von Atlanta in seiner „Sport1”-Kolumne: „Bei uns werden Fördergelder verballert.” Die DSV-Ausbeute sei „peinlich. Die Statistik zeigt es ja: Wir machen von Olympischen Spielen zu den nächsten ständig einen Schritt zurück". Seine Analyse: „Der Trainingsaufbau stimmt nicht. Seit 2008 wird großer wissenschaftlicher Aufwand betrieben, aber der Ertrag bleibt aus.” Warnecke nahm Leistungssportdirektor Buschkow ins Visier: „Ob man ihn oder irgendeine Marionette einsetzt, ist vollkommen egal.”
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