Schumis Fitness-Formel
Der Nacken macht dem 40-Jährigen Probleme. Und beim Rennfahren erwarten den Oldie noch viel mehr körperliche Belastungen.Experten erklären, worauf es ankommt.
MÜNCHEN Michael Schumacher (40) langt sich immer wieder in den Nacken. Dorthin, wo es schmerzt. Denn der Rekord-Weltmeister, der in Valencia (23. August) sein Comeback gibt, ist die Belastungen durch die Fliehkräfte – gut 5 G (das Fünffache des Körpergewichts) – nicht mehr gewohnt. Die Nackenmuskulatur ist der neuralgische Punkt. „In der Formel 1 liegt die Hauptbelastung im Nackenbereich“, sagt Dr. Robert Kilger, Leiter der Ambulanz für Sportverletzungen an der Atos-Privatklinik München, „sie sind nicht so extrem wie bei einem Düsenjet-Piloten, der 9 G aushalten muss, aber es ist enorm für den Nacken.“
Auch die Bandscheiben werden stark beansprucht, dazu der obere Rückenbereich, Schultern und die Beckenknochen. Schumis Fitness-Formel? „Um für die Formel 1 rennfit zu sein, muss man mindestens sechs Wochen spezifisches Krafttraining absolvieren“, sagt Kilger, „besser wäre länger.“ Um die Belastungen auf den Körper bei den Kart-Testfahrten zu minimieren, trug Schumi einen superbreiten Sicherheitsgurt. „Dadurch wird der Druck variiert, punktuelle Druckpunkte vermieden,“ so Kilger. Denn Schmerzmittel sind tabu. Kilger: „Es gibt kein Schmerzmittel, das die Reaktionszeit nicht beeinflusst, das geht gar nicht.“
Nacken und Kopf
In Kurven wirkt bei normalem Formel-1-Tempo durchschnittlich das fünffache des Körpergewichts auf die Köpfe der Fahrer. Etwa so viel wie bei einer Achterbahn. Nur: Ein Formel-1-Rennen dauert neunzig Minuten! Rund 300 Mal zerren die Fliehkräfte während eines Rennens also mit 5 g am Kopf der Piloten. Untrainierte Menschen können bei Kräften von 5 g bereits ohnmächtig werden. Damit der Kopf nicht irgendwann unkontrolliert hin- und herfliegt, müssen die Fahrer vor allem ihren Nacken- und Schulterbereich trainieren. „Nach meinem ersten Formel-1-Test konnte ich meinen Hals nicht mehr bewegen. Ein Muskelkater am Hals ist echt eklig“, erinnert sich der Gräfelfinger Formel-1-Pilot Adrian Sutil.
Bauch
Ist ein Bauch ein Hindernis für einen Formel-1-Fahrer? Eher nicht. Auch wer eine kleine Wampe hat, kann schnell fahren. Keke Rosberg und Niki Lauda etwa waren nicht gerade die Dünnsten, als sie Weltmeister wurden. Und auch heute hat nicht jeder Formel-1-Fahrer einen so beeindruckenden Sixpack am Bauch. Aber: Richtig dick dürfen Formel-1-Fahrer heute nicht mehr sein. Je weniger der Pilot wiegt, desto mehr Zusatzgewichte können die Ingenieure ins Auto stecken und es so besser ausbalancieren. Mehr als 70 Kilo wiegt kein Pilot. Um das Gewicht zu halten, ernähren sie sich dementsprechend. Mehr als Müsli und Obst am morgen, Salat zu Mittag und ein wenig Fleisch abends ist selten drin. Am Renntag gibt es meist noch Pasta mit einer leichten Soße. Immerhin reduziert die Formel-1-Diät die Gefahr, sich in den Helm zu übergeben. Jenson Button und Timo Glock ist das schon mal passiert.
Verfassung
Alex Leibinger, der Physiotherapeut von Adrian Sutil, schätzt, dass die wenigsten Formel-1-Piloten einen 100-Meter-Lauf in unter 40 Minuten laufen könnten. „Formel-1-Fahrer sind nicht so fit wie andere Hochleistungssporler“, sagt er. Dass Piloten aber nach der Zieldurchfahrt schon mal aus dem Auto gehoben werden müssen, liegt vor allem am Flüssigkeitsverlust. Bis zu acht Liter Wasser verlieren die Fahrer während eines Rennens. In den Trinkkanister im Auto passen aber höchstens zwei Liter. Während eines Rennens trinken die meisten Fahrer durch einen Schlauch am Helm mit Elektrolyten versetztes Wasser. Was die Arme angeht: Zwar haben die Autos Servolenkung, Bi- und Trizeps sollten aber fit sein.
Rücken und Becken
Am wichtigsten ist hier vor allem der verlängerte Rücken. Da die Fahrer in den Formel-1-Autos fast liegen und der Oberkörper zudem fest von den Gurten im Sitz gehalten wird, kommt die meiste Kraft vor allem beim Bremsen aus dem Becken – und das lässt den Po schmerzen. „Wenn du im Rücken und Schultergürtel nicht stabil bist, verzieht es dir während der Saison das Becken, und du kriegst große Probleme“, sagt Alex Leibinger, der Masseur des Gräfelfinger Formel-1-Fahrers Adrian Sutil. Netter Nebeneffekt des Rücken- und Po-Trainings: Formel-1-Fahrer haben allesamt einen knackigen Po. Angeblich sehr zur Freude mancher Boxenluder.
Beine und Füße
In der Formel 1 wird mit dem linken Fuß gebremst und mit rechts beschleunigt. Da die Flitzer keine Bremskraftverstärker haben, müssen die Fahrer im wahrsten Sinne des Wortes das Bremspedal treten, um eine Wirkung zu erzielen. Umgerechnet ist zum Bremsen eine Kraft von rund 80 Kilo nötig. Man braucht also Kraft in den Beinen und in den Füßen – aber allzu steif sollten vor allem die Fußgelenke nicht sein. Schließlich geht es auch darum, möglichst dosiert zu bremsen. Lockerungsübungen für die Füße sind also Pflicht.
F. Cataldo, M. Kerber