Schmuckstück Kerner, Sensibelchen Steinbrecher
MÜNCHEN - Exklusiv für die AZ bewertet der ehemalige Fernsehmoderator René Hiepen, welche seiner Kollegen am Mikrofon im Jahr 2010 ihre Sache gut gemacht haben – und welche nicht
Sie hatten einiges zu tun, die Fußball-Reporter im Jahr 2010. Bundesliga, DFB-Pokal, Europa League. Für die Besten fiel die Sommerpause flach: Wegen der WM in Südafrika. Und nicht zu vergessen: Die Champions League, in der es mit dem FC Bayern ein deutscher Verein sogar ins Finale brachte. Und in der neuerdings Johannes B. Kerner und Bayerns Ehrenpräsident Franz Beckenbauer das neue Traumgespann sind, bei Sat.1. Exklusiv für die Abendzeitung bewertet der frühere Fernseh-Moderator René Hiepen, heute Produzent (unter anderem des Berlin-Marathons und der 2011 erscheinenden Bayern- Chronik „Vier Sterne, 111 Jahre“) die Leistungen seiner Kollegen. Der AZ-Kolumnist weiß, wer gut war – und wer nicht.
Hiepens Top 5 der Fußball-Reporter
TOM BAYER (SKY) Für mich ist er in dieser Saison zur absoluten Nummer eins als Sky-Kommentator aufgestiegen. Fantastische Stimme, da klingt der Fußball im TV wie ein Konzert. Fachlich grandios, humorvoll, seine Live-Analysen sind treffend – und er nimmt sich selber nicht so wichtig. Wohltuend. Mit ihm wird Fußball live bei Sky zum Genuss!
JOHANNES B. KERNER (SAT.1) Ein TV-Profi durch und durch. Souverän, locker, journalistisch top – er stellt alle Fragen, auch solche, die manchem weh tun. Zudem beeindruckt mich stets seine sprachliche Frische, obwohl er schon so lange imGeschäft ist. Seine Doppelpässe mit Franz Beckenbauer schmücken jede Champions-League- Sendung. Mir hat Johannes im ZDF während derWMsehr gefehlt. Katrin Müller-Hohenstein hat bei weitem nicht seine Klasse.
PATRICK WASSERZIEHR (SKY90) Dank Patrick wird Sky90 immer mehr zur Pflichtsendung für jeden Fußballfan. Journalistisch auf höchstem Niveau arbeitet er mit exklusiven Gästen den Spieltag exzellent auf. Man spürt, dass seine Gäste sich wohlfühlen und ihn ernst nehmen. Das führt zu einzigartigenMomenten im TV, wie der Hoeneß-Attacke auf van Gaal. Dem Sport1-Doppelpass hat der smarte Patrick längst den Rang abgelaufen.
BELA RETHY (ZDF) Die Fußballstimme des ZDF. Ein deutsches Länderspiel im Zweiten ohne ihn ist leider kein Festtag. Sprachlich brillant zaubert er die großen Länderspielmomente herbei. Akribisch in der Vorarbeit. Er ist mit seinem Status in Mainz gewachsen und emotionaler geworden, traut sich mehr. Kompliment, Bela!
SEBASTIAN HELLMANN (SKY) Das Kölner Urgestein ist mittlerweile dort angekommen, wo die Geißböcke vermutlich nie mehr landen werden – in der Champions League. Als Marcel Reif ihn entdeckte, war er ein Talent, mehr nicht. Jetzt ist er ein Juwel! Der beste deutsche Fußballmoderator im On. Ein Gastgeber in Perfektion für die großen Spiele. Lockere Moderationen, Top Interviews und eine tolle Ausstrahlung vor der Kamera. Gratulation, 2010 war sein bestes Jahr!
Hiepens Flop 5 der Fußball-Reporter
KAI DITTMANN (SKY) Er kommentiert wortgewaltig die großen Spiele. Leider oft zu wirr. Wer viel redet, redet meist auch viel Unsinn – wer kann ihm das bittemal sagen? Stimmlich unerträglich, immer die gleiche nervige Klangfarbe. Und wer hat ihn bitte auch noch vor die Kamera gestellt? Für mich die schlimmste Fehlbesetzung.
MICHAEL STEINBRECHER (ZDF) Der „Fußball- Versteher“. Das Sensibelchen unter den Moderatoren. Immer so bemüht, immer so bemüht anders – das nervt. Steinbrecher ist ein durchaus ordentlicher Kicker und ein großer Dortmund-Fan. Ich kann seine erste Frage an Jürgen Klopp nach dem Gewinn des Meistertitels kaum erwarten: „Jürgen, wann haben Sie zum ersten Mal gespürt, dass es zur Meisterschaft reichen könnte?“
ROLF FUHRMANN (SKY) Der „Rollo“ aus Hamburg wäre besser Taxifahrer geblieben. Da hätte die Kundschaft mehr Freude gehabt, denn in der Hansestadt kennt er tatsächlich jeden Winkel. Aber im TV ist er eine Zumutung für die Sportler und erst recht für die Zuschauer. Der „älteste Feldspieler der Liga“ glänzt nur mit Provokationen, leider nicht mit Fachwissen oder klugen Fragen. Er passt ebenso wenig zum sonst frischen, jungen Sky-Programm wie der Fischmarkt nach München.
OLIVER SCHMIDT (ZDF) Das ZDF hat aufs falsche Pferd gesetzt. Aber korrigieren wollen sie diesen fatalen Fehler in der Live-Besetzung nicht. Schmidt war lange Assistent von Kerner und als solcher auch wertvoll und gut. Aber als Live-Größe fehlt es ihm an Charisma und Spontanität. Fachlich liegt er oft daneben, sprachlich bieder, nicht regelfest. Boris Büchler hätte eine Chance als Live- Reporter längst verdient. Thomas Wark ist auch deutlich besser.
STEFFEN SIMON (ARD) Der WDRSportchef ist ein erfahrener Live- Mann. Extrem gut vorbereitet. Für die großen Länderspiele des DFB-Teams wünscht man sich aber mehr. Ihm fehlt es an Glanz, die saubere fachliche Analyse kommt zu selten auf den Punkt. Ganz ehrlich: Ich vermisse Gerd Rubenbauer – er war mit Abstand der Beste, den die ARD in den letzten 20 Jahren auf dieser Position hatte.