Schluss mit Hollywood
Wahrscheinlich war es die schwarze Lederjacke, Inbegriff der Coolness. Jedenfalls hieß es, Sebastian Vettel spiele im Musikvideo von Grammy-Gewinnerin Melanie Fiona einen „modernen James Dean“. Der Vergleich ist sicher als Kompliment gemeint, für einen hauptberuflichen Rennfahrer aber eher unangebracht: Der Hollywood-Held starb vor 57 Jahren in einem Porsche 550 Spyder.
Gefährlich wurde es nicht, als Vettel im Video zum Song „Watch me work“ in einem Infiniti G37 Convertible durch die abendliche Sonnenflut New Yorks cruiste, ganz ohne DRS und Boxenstopp. „Man bekommt nicht so oft die Möglichkeit, von einem Formel-1-Weltmeister gefahren zu werden“, meinte R’n’B-Sängerin Fiona, „als sich die Gelegenheit ergeben hat, hab’ ich gesagt: Ja, bitte!“ Und Vettel sagte: „Es war großartig, in dem Musikvideo mitzuspielen, etwas ganz anderes als das, was ich sonst mache.“
Nun ist der Spaß zu Ende, ebenso wie die fünfwöchigen Sommerferien der Formel 1. Gut erholt und gebräunt vom Capri-Urlaub mit seiner Freundin will Vettel am Sonntag beim Grand Prix in Spa (14 Uhr, RTL) auf „einer seiner Lieblingsstrecken“ zum Angriff auf den WM-Führenden Fernando Alonso blasen. Sein letzter Sieg ist mehr als vier Monate her. Erst bei drei Rennen ist der Dominator des Vorjahres aufs Podium gefahren. Neun Rennen vor dem Finale hat der Doppelweltmeister 42 Zähler Rückstand auf Alonso.
„Der Titel ist für uns noch absolut machbar. Aber Vettel muss in der Quali besser werden. Da hat er nicht mehr die Dominanz so wie letztes Jahr“, sagte Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko der Bild-Zeitung und erhöhte den Druck: „Vettel braucht keine fünf Siege, er darf aber nicht mehr ausfallen. Alonsos Serie wird bald mal zu Ende gehen. Dann müssen wir da sein.“ Der Ferrari-Pilot fuhr im Gegensatz zu Vettel heuer stets in die Punkte. Der 31-Jährige hat sich zum Zeichen seiner Kampfeslust einen Ninja-Krieger auf den Rücken tätowieren lassen: „Wir werden zu 200 Prozent bereit sein.“
Auf eine Stallorder braucht Vettel nicht zu hoffen. Teamkollege Mark Webber (36) ist eher ein Rivale und hat zwei WM-Punkte mehr auf dem Konto. Marko sagt: „Bei uns dürfen beide Weltmeister werden.“ Der Australier freut sich schon auf das Rennen: „Das ist eine Strecke, die jeder Rennfahrer liebt. Ich war so glücklich, als ich dort im vergangenen Jahr gewonnen habe.“ Und Vettel stellte fest: „Wenn man es schafft, vor dem Teamkollegen zu sein, dann kann der einem auch keine Punkte wegnehmen. Wenn man das nicht schafft, kann das am Ende unter Umständen schmerzhaft sein.“
Rekordweltmeister Michael Schumacher, der in Spa sein 300.<TH>Rennen fahren wird, scheint derweil auch nicht mehr daran zu glauben, dass Vettel den Spanier noch einholen kann. „Sebastian ist ein toller Typ und ein toller Fahrer, der gerade mit Gegenwind umgehen muss. Das ist ein Lernprozess“, sagte der Mercedes-Pilot. Der Trend spreche klar für Alonso: „Er wächst gerade über sich hinaus. Es gibt so Phasen, wo alles zu einem kommt. Aber das hat man sich erarbeitet. Und er hat es."
Im ersten Training fuhr Vettel im Regen von Spa mit drei Sekunden Rückstand auf den Schnellsten Kamui Kobayashi (Sauber-Ferrari) auf Rang neun. Alonso kam bei schwierigen Bedingungen nur auf Rang 22. Insgesamt verzichteten die Favoriten lange darauf, eine gezeitete Runde in Angriff zu nehmen. In der zweiten Einheit wurde über 90 Minuten nicht eine einzige ernsthaft gefahrene Runde gestoppt. Am Ende absolvierten die Fahrer nur noch ein paar zaghafte Startübungen.