Scheffau: Einfach mal um die Bäume
Scheffau gehört zum größten Skigebiet Österreichs. Das hat auch seine Tücken
Die kleine Holländerin versteht kein Wort. Aber sie strahlt unter ihrem pinken Barbie-Helm, beugt sich noch etwas weiter über den Bügel des Sessellifts. Damit müssen Skifahrer im österreichischen Scheffau an den blauen Pisten rechnen: dass ihnen ein Kind aus einem der zahlreichen Skikurse mitgegeben wird. Kinder, die den Mittag im bergeigenen Märchenwald bei Tanzspielen und Skirennen verbringen, während die Erwachsenen ihre Bögen durch den Schnee ziehen. „Doei!“ ruft das Mädchen noch bevor es an der Bergstation auf die Skier hupft. „Tschüss“. Dann schaukelt der Helm auf die wartende Zwergerlgruppe zu.
Die Bergbahn von Scheffau endet am Brandstadl, dem Treffpunkt aller Familien und Skischulen. Hier teilt sich der Weg: Schwarz, Rot, Blau? Sessel oder Schlepper? Hütte mit Service oder Selbstbedienung?All das entscheidet sich auf dem Plateau. Gerade deshalb lohnt es sich, hier auf 1650 Metern Höhe innezuhalten und den Tag zu planen. Das Tagesticket gilt immerhin für 279 Pistenkilometer – nichts für Skifahrer, die schnell den Überblick verlieren.
Nur mit Pistennummern im Kopf, einer Karte in der Tasche und einem festen Ziel für den späten Nachmittag lässt sich der Schilderwald der Skiwelt bezwingen. „Österreichs größtes zusammenhängendes Skigebiet“, wie die Werbung seit Jahren kundtut, ist ein Pistenlabyrinth. Sie trennen sich, laufen in Knoten zusammen. Die Route 66 braucht streckenweise ein „a“ um die zwei aufeinanderlaufenden Wege auseinander zu halten. Und am Wochenende ist manche durch ein Rennen des örtlichen Skiclubs gesperrt.
Jeder Neuankömmling muss sich fragen: Reichen die Pisten oberhalb Scheffaus, eines von sechs Gebieten, die die Skiwelt umfasst? Oder geht’s mittags rüber zur schwarzen Piste der Hohen Salve oberhalb von Söll? Lockt am Ende doch der Ellmauer Hartkaiser, der kleine Vetter des Wilden Kaisers?
Das Bergmassiv, das der Skiwelt einen Brettl schwingenden Comic-Kaiser als Logo beschert hat, bewacht die Pisten. Immer präsent ist dieser weit ausladende Berg mit der Krone an seiner rechten Seite. Intensiv lässt sich die Schönheit des Wilden Kaisers auf der Tanzbodenalm, nicht weit vom Brandstadl, betrachten. Hier, wo noch heiße Kasspatzen (7,90 Euro) und pfannenfrischer Kaiserschmarrn (7,20 Euro) auf den Teller kommen, ruhen sich die Skiraser und Brettlschnecken unter Heizstrahlern aus – und werfen noch einen Blick auf die Karte. Schließlich lockt das Berghopping bis rüber zu den Kitzbühler Alpen – zumindest an manchen Tagen. Auch in Scheffau ist die Schneelage mau. An manchen Tagen sind Verbindungspisten in andere Gebiete gesperrt. Die rund 1000 Schneekanonen prusten im Dauereinsatz Flocken vor sich hin.
„Zehn Jahr’ noch, dann wird’s hier schwierig“, sagt einer der Helfer am Sessellift. Schon jetzt muss er mehrmals am Tag Schnee auf die Einstiegsstelle schippen, damit keiner im Sulz stecken bleibt. Schon jetzt sind die Nordhänge Scheffaus beliebt: Hier bleibt der Schnee länger griffig. Vor allem auf dem Eiberg. Gleich zwei Vierer-Sessellifte tragen tausende Sportler am Tag hier hoch. Es gibt gemütliche Pisten zwischen Tannen hinab und lange Strecken durch das gesamte Skigebiet. Der Eiberg ist mit seiner abgeflachten Kuppe so etwas wie der Stachus des Skigebiets: Von hier geht’s überall hin, hier trifft man sich, trennt sich, schwingt das letzte Mal ab vor dem Apres Ski.
Auch das gehört in Scheffau dazu. Direkt an der Talbahn duftet es aus der Sternbar nach Glühwein, schwappen DJ-Ötzi-Klänge über den Asphalt. Wer direkt von der Piste einkehrt, hat eine anspruchsvolle Talabfahrt hinter sich: eisig, zum Teil steil, wenig Schnee. Österreicher tummeln sich hier, viele Holländer, noch mehr Münchner. Für die Münchner Frauen dürfte Scheffau ab nächster Woche besonders interessant werden: Ab dem 13. Januar ist jeden Mittwoch Ladys Day. Die Damen fahren zum Kindertarif – und das nur eine Stunde von München entfernt.
Anne Kathrin Koophamel
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