Sauberer Biedermann?

Ein sagenhafter Weltrekord schürt Zweifel am deutschen Schwimmstar. Der beteuert vorm Duell mit Phelps: „Ich bin sauber“
ROM War ja klar, dass selbst so ein vermeintlicher Wunderanzug nicht jeden schlimmen Verdacht abwehrt.
Wenn also ein Paul Biedermann aus Halle an der Saale zur Schwimm-WM nach Rom fährt, dort seine Bestzeit über 400 Meter Freistil um 6,6 Sekunden verbessert und nebenbei den sieben Jahre alten Weltrekord von Schwimm-Legende Ian Thorpe um ein Hundertstel auf 3:40,07 Minuten steigert, dann wirft das Fragen auf. Und dieser hypermoderne Schwimmanzug, den Biedermann trägt und der ihn angeblich deutlich schneller macht, ist als Antwort keineswegs ausreichend.
Also: Doping?
Es schien, als hätte Weltmeister Biedermann (22) nur auf diese Frage gewartet. Ohne Zögern begegnete er dem Misstrauen, das er spürte. „Natürlich muss ich mir solche Vorwürfe gefallen lassen, das ist klar. Aber ich bin absolut sauber. Ich hatte x Kontrollen, bestimmt 20 in diesem Jahr.“ , sagte er mit ernster Miene und festem Blick, wohl wissend, dass diese Leistungssteigerung zu unglaublich war, um nicht angezweifelt zu werden.
So rüstet sich Biedermann für ein Duell, auf das die Branche am Dienstagabend schaut: Die 200 Meter Freistil, seinen Zweikampf mit Rekord-Olympiasieger Michael Phelps aus den USA. Der Deutsche ist als Vorlaufschnellster ins Halbfinale eingezogen; er blieb in 1:45,30 Minuten 59 Hundertstel über seinem eigenen Europarekord, lag dabei aber drei Zehntel vor Phelps.
Der Superstar sieht in Biedermann längst eine Bedrohung. Einen Tag, nachdem er den 400-Meter-Rekord verloren hatte, sagte Phelps: „Ich kann immer noch nicht glauben, dass dieser 400-Meter-Rekord gebrochen wurde, er war der beste Rekord. Normalerweise sieht man im postolympischen Jahr nicht diese Leistungen, aber irgendwie kommen sie zustande. Ich weiß nicht, wie sie das machen.“ Auch das war so eine unausgesprochene Vermutung.
Biedermann ließ die Zweifel abperlen wie sein Rennanzug das Wasser. Er sagte: „Der neue Anzug hat bestimmt zwei Sekunden geholfen.“ Als erklärter Kritiker des Wettrüstens im Schwimmen hatte er bis vor vier Wochen ein fast schon altertümliches Vorjahresmodell geschwommen und sich erst kurz vor der WM für ein neues Modell entschieden.
Wegen des Epstein-Barr-Virus' hatte Biedermann zu Jahresbeginn knapp sechs Wochen pausieren müssen, mehrere hunderte Trainings-Kilometer fehlten – eigentlich auf der Mittelstrecke kaum aufzuholen. Biedermann: „Das konnte ich gut kompensieren. Vielleicht habe ich genau diese Pause gebraucht.“
Gefeiert hat er angesichts des bevorstehenden Duells mit Phelps kaum. „Ich hatte nicht so viel Zeit für meine Familie. In Gedanken war ich bei ihnen. Sie haben das alle mit mir durchgestanden. Wenn ich um sechs Uhr zum Training aufstehe, kann ich schon zickig sein“, sagte Biedermann, der seine Freundin, Eltern und alle vier Großeltern nach Rom eingeladen hatte. Den Titel widmete er Oma Annemarie zu ihrem 73. Geburtstag. Wenigstens fragt die ihn nicht nach Doping.