Robin Krasniqi: Blut, Dramen, Träume

Der Münchner Boxer fordert Weltmeister Jürgen Brähmer. In der AZ spricht er über seine historische Chance und die schreckliche Kindheit
von  Matthias Kerber
Der Münchner Boxer Robin Haxhi Krasniqi.
Der Münchner Boxer Robin Haxhi Krasniqi. © dpa

Der Münchner Boxer fordert Weltmeister Jürgen Brähmer. In der AZ spricht er über seine historische Chance und die schreckliche Kindheit

AZ: Herr Krasniqi, am Samstag kämpfen Sie nun gegen Jürgen Brähmer erneut um die WM im Halbschwergewicht. Bei Ihrer ersten WM-Chance 2013 gegen den Briten Nathan Cleverly waren Sie mutig, aber chancenlos. Warum soll nun alles anders werden?

ROBIN HAXHI KRASNIQI: Ich bin ein anderer Mensch, ein anderer Boxer. Ich bin viel reifer. Damals war ich bereits glücklich, diese Chance zu haben. Ich war von dem Drumherum beeindruckt. Seit ich Kind bin, träume ich davon, Box-Weltmeister zu werden. Und plötzlich stand mir einer im Ring gegenüber. Ich habe in dem Moment vielleicht mehr den Champion gesehen als den Menschen. Jetzt ist das anders. Mein Gegner ist nur noch ein Mensch, der auch nur zwei Arme, zwei Beine, einen Kopf hat. Es ist nicht der Terminator, gegen den ich kämpfen muss. Für mich ist das, was andere Menschen erreicht haben, immer eine Inspiration, denn es heißt, es ist menschenmöglich. Jetzt fehlt mir nur noch dieser eine, kleine Schritt, um ganz oben zu sein. Das ist für mich der wichtigeste Preis in meinem Leben, der WM-Gürtel. Dafür nehme ich all das auf mich. Dafür habe ich elf Wochen jeden Tage trainiert. Habe gelitten, geblutet, geschrien vor Schmerzen. Aber all das ist es wert, denn ich will Geschichte schreiben.

Sie wären der erste Weltmeister ...

Der erste Weltmeister Münchens, der erste Weltmeister Bayerns, der erste Weltmeister aus dem Kosovo. Das zu erreichen, dass meine Name unauslöschlich in den Geschichtsbüchern verewigt ist, das wäre das Allergrößte. Wenn ich den Gürtel wirklich hole, werde ich ihn sicher einige Tage gar nicht mehr ablegen. Nicht zum Essen, nicht zum Schlafen. Ich würde jede Sekunde genießen und aufsaugen wollen.

Aber Brähmer ist ein ausgezeichneter Boxer, der Ihnen viel Erfahrung, aber auch eine ganz andere Box-Ausbildung voraus hat.

Er ist ein Ringfuchs. Er hat ein enormes Schlagrepertoire, er hat viel gesehen, viel erlebt und fast alles gemeistert im Ring. Aber einem Menschen mit meinem Kämpferherz stand er noch nicht gegenüber. Vor zwei Jahren wäre ich noch nicht reif genug für ihn gewesen, aber jetzt bin ich es. Ich habe mich jetzt lange Zeit speziell auf Linkshänder eingestellt.

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Bei allem, was ich tue, habe ich jetzt visualisiert, was ein Linkshänder entgegensetzen würde. Brähmer ist ein großer Champion, aber es ist meine Agenda, selber Champion zu werden.

Sie sind sehr weit gekommen. Wenn man sich Ihre Anfänge in Erinnerung ruft: Sie haben erst mit 17 mit dem Boxen angefangen, bestritten Ihre Kämpfe anfangs vor 150 Zuschauern im Bierzelt in Trudering.
Das stimmt. Ich bin erst kürzlich dahin zurückgekehrt, wo ich vor zehn Jahren angefangen habe. Ich habe ganz unten angefangen. Man muss sich ja nichts vormachen, Veranstaltungen in Bierzelten sind vom Niveau mit das Niedrigste, was es im Boxen gibt. Aber da sind meine kämpferischen Wurzeln, umso stolzer bin ich, dass ich dort bin, wo ich bin. Ich kämpfe um den WM-Titel.

Sie kamen als Flüchtlingskind aus dem Kosovo nach München.

Ja, es war für mich anfangs sehr schwierig. Ich konnte die Sprache nicht, wir waren arm. Ich hatte Angst, dass ich ausgelacht werden würde. München war eine vollkommen andere Welt. Es hat mich fast erschlagen. Aber jetzt ist es meine Heimat, die ich liebe. Und ich werde Deutschland ewig dankbar sein, dass ich hier eine Chance erhalten habe. Viele reden vom amerikanischen Traum, aber ich muss sagen, in Deutschland hast du, wenn du fleißig, ehrlich, geduldig und strebsam bist, alle Chancen, Erfolg zu haben. Ich bin stolz heute sagen zu können: Ich bin auch ein Deutscher.

Ihre Kindheit war brutal, sie war geprägt vom fürchterlichen Krieg im Kosovo.

Ja. Ich musste viele Dinge sehen, die kein Kind – nein, kein Mensch – sehen sollte. Ausgebrannte Häuser, verkohlte Leichen. Das gespenstische Knattern der Schüsse aus den Kalaschnikows kriege ich wohl nie ganz aus meinem Kopf.

Was ist Ihr bleibendster Eindruck aus dieser Zeit?

Ich werde nie den Moment vergessen, als wir als Familie geflüchtet sind. Und wir dann von einem Berg auf unser Dorf herunterblickten – und alles, wirklich alles in Flammen stand. Es war ein Inferno. Rauch, Feuer. Wir hatten nur das, was wir am Leib trugen. Dazu hat man dann die ganzen Geschichten von den Gräueltaten gehört und manche hat man eben auch gesehen. Hat man sehen müssen. In unseren Köpfen war nie die Frage, ob wir sterben werden, sondern nur, wann. Es konnte jede Sekunde vorbei sein, dessen waren wir uns stets bewusst. Es war eine schreckliche Zeit, die mich natürlich geprägt hat. Allein die Warnungen der Eltern, mit nichts zu spielen, was man so am Boden findet, werde ich nie vergessen. Es gab ja viele Minen überall und immer wieder haben sie Kindern, die sie aufgehoben haben, die Gliedmaßen abgerissen. Weil ich all das erlebt habe, kann ich den Erfolg noch mehr genießen, denn ich nehme nichts als selbstverständlich an. Allein am Leben zu sein, ist ein Geschenk für mich. Ich verstehe einfach nicht, dass wir Menschen es immer noch nicht geschafft haben, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Was zurzeit in der Welt vorgeht, tut mir schlicht im Herzen weh.

 

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