Robert Harting vor EM in Zürich: Ein richtiger Kassensturz war nötig

Seit vier Jahren ist Robert Harting bei großen internationalen Meisterschaften ungeschlagen. Bei der EM in Zürich soll diese Serie halten, obwohl wegen des Engagements für die Sportlotterie und die Bachelor-Prüfungen die Vorbereitungen etwas ruhiger als sonst liefen.
dpa |
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Seit vier Jahren ist Robert Harting bei großen internationalen Meisterschaften ungeschlagen. Bei der EM in Zürich soll diese Serie halten, obwohl wegen des Engagements für die Sportlotterie und die Bachelor-Prüfungen die Vorbereitungen etwas ruhiger als sonst liefen.

Kienbaum - Robert Harting trägt auf seinem Trikot vier Sterne und die Zahl 70. Der beste Diskuswerfer der Welt dokumentiert damit seine vier globalen Triumphe bei Olympia 2012 und den Weltmeisterschaften 2009, 2011 und 2013. Zugleich gibt er sich selbst mit der 70 seine Zielweite für wichtige Wettkämpfe vor. Bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Zürich gehört der 29 Jahre alte Berliner wieder zu den ganz großen Gold-Hoffnungen des deutschen Teams.

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Über seine Vorbereitung auf den Saison-Höhepunkt führte die Nachrichtenagentur dpa mit dem 2,01 Meter großen Hünen im Trainingslager Kienbaum das folgende Interview.

Frage: Warum hat man Sie in diesem Jahr nur selten über Ihre sonst akuten Knie-Probleme klagen hören?

Robert Harting: Das ist ja das Gute: Die Schmerzen sind weg. Wir haben im Training viel Wert daraufgelegt, die in den vergangenen Jahren dauerhaften Schonhaltungen aus dem Körper zu bringen. Im vergangenen Jahr waren die Schmerzen besonders groß. Ich habe viel in mich reingehört und teilweise selbst herausgefunden, welchen Muskel ich falsch belastet habe. Es ist das erste Mal seit vier Jahren, dass ich nahezu schmerzfrei zum Saison-Höhepunkt anreise.

Welche Rolle spielte bei diesem Programm Ihr neuer Coach Torsten Schmidt?

Alles habe ich natürlich mit ihm abgestimmt. Es war ein richtiger Kassensturz nötig. Man kann so etwas auch über die Psyche erreichen, aber dafür bin ich eher nicht der Typ. Also haben wir das neue Trainingsprogramm mit Blick auf Rio zusammen entwickelt. Das war auch einer der Gründe für den Trainer-Wechsel.

Was hat Torsten Schmidt noch verändert?

Wir streben nach ganz neuen Bewegungsmustern, suchen alternative Bewegungen mit dem Speer, dem Hammer. Dinge, die ich jahrelang nicht gemacht habe. Wir verstehen uns prima, sprechen dieselbe Sprache. Im Training werfe ich den Diskus auch mal mit links. Das kommt mir immer ewig vor, weil es eine ganz andere Bewegung ist. Irgendwie ist dann im Hirn etwas verdreht.

Warum haben Sie gerade den vergangenen Herbst als Zeitpunkt für den Trainer-Wechsel gewählt? Ihr alter Coach Werner Goldmann geht doch erst nächstes Jahr in Rente.

2014 ist ein Übergangsjahr auf dem Weg zu Olympia. Da ist der Erfolg nicht ganz so wichtig. Ich hoffe aber trotzdem, dass ich bei der EM Gold gewinne. Und ich hoffe zudem, dass es mein fehlerhaftestes Gold überhaupt wird. Der Schaden, wenn wir was Falsches gemacht hätten, wäre so gering wie in keinem anderen Jahr. Und danach habe ich genug Zeit, diese Fehler bis zu den Spielen zu korrigieren.

Haben Sie überhaupt Zweifel am zweiten EM-Sieg nach 2012?

Natürlich habe ich immer gesunde Zweifel. Sonst würde das tägliche Training nicht so intensiv ablaufen können. Das Diskuswerfen ist wie ein anstrengender Management-Beruf: Es ist eine Kunst, alle Fähigkeiten des Körpers miteinander zu koordinieren. Aber natürlich gibt es viel Ungewisses im Wettkampf selbst, das Wetter, die Kampfrichter, die Form.

Die unmittelbare Wettkampf-Vorbereitung haben sie mit sieben Wochen angegeben. Droht da nicht ein Lagerkoller?

Nein, wir lockern das Programm auf, sind nicht durchgängig in Kienbaum. Ich fahre zwischendurch auch mal nach Hause und mähe den Rasen. Außerdem gibt es ja die sozialen Netzwerke, die mich ablenken.

Wie stark hat Sie die Sportlotterie vom Training abgehalten?

Es ist sagenhaft, was die Lotterie für Kraft gekostet hat. Und immer drohte das Unheil, dass wir trotz aller Arbeit gar keine Lizenz bekommen. Jetzt ist das ausgestanden, es hat sich gelohnt. Im September geht es hoffentlich los. Nur die Aufhebung des Werbeverbots fehlt noch.

Und wie viel Zeit forderte der Bachelor für Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation?

Noch habe ich den Titel nicht. Am 16. September muss ich meine Bachelor-Arbeit abgeben. Das kostet gleich nach dem Wettkampf in Zürich noch mal alle Kraft. Aber alle Voraussetzungen habe ich erfüllt. Das Kommunikationsprojekt inklusive Präsentation und Kolloquium im Mai habe ich mit Note 1,7 abgeschlossen. Und trotzdem bin ich der Meinung: eine wahre duale Karriere gibt es nicht. Entweder Sport oder Studium, ein Part wird immer den Vorrang haben.

ZUR PERSON: Robert Harting ist Olympiasieger (2012) und dreimaliger Weltmeister (2009/2011/2013), EM-Titelverteidiger (2012) und Militär-Europameister (2013) im Diskuswerfen. Der "Sportler des Jahres", am 18. Oktober 1984 in Cottbus geboren, startet für den SCC Berlin. Seine persönliche Bestleistung steht bei 70,66 Meter. Der 2,01 Meter große und 126 Kilogramm schwere Modellathlet wechselte im Herbst 2013 seiner Trainer und wird nun von seinem früheren Konkurrenten Torsten Schmidt betreut. Harting studiert Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation als Berufsfördermaßnahme der Bundeswehr in Berlin.

 

Interview: Frank Thomas

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