„Reif fürs Wintermärchen“

Hier spricht Markus Baur (38), der Weltmeister-Kapitän von 2007, der inzwischen seine Karriere beendete, über die Aussichten der deutschen Handballer vor der EM in Österreich, über Heiner Brand, Simone Thomalla und Franziska van Almsick.
AZ: Herr Baur, die EM-Vorbereitung der deutschen Handballer war eher durchwachsen. Kann das so was werden mit dem Titel?
MARKUS BAUR: Das ist wie in den letzten Jahren auch vor einem großen Turnier, da war das auch schwer einzuschätzen. Die Jungs können den Titel holen, aber auch gleich in der Vorrunde rausfliegen. Ist durchaus möglich. Bei der Gruppe, Schweden, Polen, Slowenien, das ist schon recht ausgeglichen.
Selbst Trainer Heiner Brand stapelt tief. Er sagt, man könne gegen alle EM-Teilnehmer verlieren. Ist das nicht zu viel der Demut?
Da hat er ja Recht. Gegen die Spanier gewinnst du von zehn Spielen drei, gegen die Kroaten zwei. Und gegen die Franzosen verlierst du neun.
Neun gleich?
Oder neuneinhalb. Und selbst gegen ein Team wie Slowenien tun wir uns an einem schlechten Tag schwer. Ich sehe aber trotzdem noch Parallelen zu unserer goldenen WM-Mannschaft 2007.
Wirklich? Welche denn?
Innsbruck ist fast ein Heimspiel für uns. Das liegt so nah an Deutschland, da werden von den 8000 in der Halle drei Viertel deutsche Fans sein. Ich denke, das Team ist reif für ein neues kleines Wintermärchen. Und wir haben noch acht Weltmeister von damals. Dazu die Newcomer, die auch den Willen haben, zu gewinnen.
Die Umsetzung glückte im Vorfeld nur bedingt. Gegen Österreich und Brasilien gab es mühsame Pflichtsiege, gegen Island zwei Niederlagen.
Ach, vor der WM 2007 haben wir auch gegen Ägypten verloren, und damals hat es Heiner Brand aber auch wieder geschafft, das Team aufzurichten und zu motivieren. Wenn es einer kann, dann er.
Seit 13 Jahren ist er jetzt Bundestrainer, nutzt sich das nicht irgendwann ab?
Beim Heiner nicht. Er hat eine Ausstrahlung und einen Sachverstand wie kein Zweiter, dazu weiß er genau, wie man so eine Truppe führen muss. Ein absolutes Vorbild für die Mannschaft, einer, der den Laden zusammenhält.
Fürchten Sie aber nicht, dass jetzt Unruhe in die Mannschaft kommt?
Warum das denn?
Die vielen Berichte in den Magazinen und Klatschspalten über die Beziehung von Nationaltorwart Silvio Heinevetter mit Schauspielerin Simone Thomalla.
Das wird doch alles von den Medien reingebracht.
Eben.
Ich mache mir da keinen Kopf darüber und die Spieler sicher auch nicht. Zu meiner aktiven Zeit war in den Medien die Beziehung von Stefan Kretzschmar zu Franzi van Almsick das große Thema. Ja, meinen Sie, wir haben da in der Mannschaft groß darüber geredet? Uns war das ziemlich wurscht, das war kein Thema. Aber wie es jetzt ist, kann ich Ihnen ehrlich nicht sagen. Ich bin ja nicht mehr dabei.
Aber nach Innsbruck fahren Sie schon.
Natürlich. Ganz entspannt als Tourist. Zum ersten Mal. Ich bin kein Spieler und auch kein TV-Experte mehr wie vor einem Jahr bei der WM.
Und Ihren 39. Geburtstag am Freitag feiern Sie dann beim Spiel der Deutschen gegen Schweden.
Nein. Da fahre ich heim. Weil WM und EM immer in dieser Zeit sind, war ich an meinem Geburtstag immer auf einem Turnier. Jetzt endlich ist das anders. Jetzt kann ich endlich mit der Familie feiern.
Interview: Florian Kinast