Regina Halmich: „Das ist erbärmlich und schlicht asozial!“
AZ: Frau Halmich, Sie, die ehemalige Box-Queen, sind seit kurzem Schirmherrin der Aktion „Gewalt gegen Frauen – nicht mit uns“. Vitali Klitschkos Gegner Dereck Chisora wurde vor gut einem Jahr verurteilt, weil er seine Freundin verprügelt hat.
REGINA HALMICH: Da gibt es keine anderen Worte, um das zu beschreiben: Das ist erbärmlich und schlicht asozial! Man kann immer streiten, aber es gibt Grenzen, die nie – ich wiederhole: nie! – überschritten werden dürfen. Die körperliche Integrität ist ein solche Grenze. Wer die überschreitet, ist einfach asozial. Punkt, aus! Und eigentlich finde ich das Ganze bei Chisora noch ganz besonders verwerflich.
Weil er Boxer ist?
Ja, genau. Wenn ein Boxer, insbesondere ein Schwergewichtsboxer, zuschlägt, dann ist das lebensgefährlich. Ohne es dramatisieren zu wollen, aber die Hände eines Boxers sind tödliche Waffen. Wenn so ein Mann seine Frau schlägt, dann steht wirklich deren Leben auf dem Spiel. Ich bin sehr froh, dass Chisora sich jetzt wieder traut und gegen einen Mann in den Ring steigt. Und Vitali wird ihn schon dafür bestrafen, was Chisora seiner Freundin angetan hat. Ich drücke ihm noch mehr die Daumen als sonst. Ich denke, Chisora wird eine Tracht Prügel bekommen, und die hat er auch wirklich verdient. Ich wäre auch dafür, dass die Boxverbände selber ein Zeichen setzen und hart gegen Boxer vorgehen, die Frauen schlagen. Ich würde als Verband diese Übeltäter sperren.
Gibt es in Ihren Augen irgendein Szenario, nachdem eine solche Aktion entschuldbar wäre?
Nein! Das ist nicht zu entschuldigen. Es gibt oft Umstände, die als Erklärung dienen können, aber nicht als Entschuldigung. Ich habe mich in meiner Funktion als Schirmherrin ja mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt. Viele von denen, die Gewalt gegen Frauen verüben, haben in ihrer eigenen Jugend auch Gewalt erfahren müssen. Warum man dann, wenn man selber diese Grausamkeiten am eigenen Leib erfahren musste, in die gleiche Schiene verfällt, ist mir zwar ein Rätsel, aber es ist leider ein Phänomen, das existiert. Es kommt leider immer wieder vor, dass diejenigen, die selber in ihrer Kindheit Opfer waren, später dann auch zu Tätern werden, sobald sie erwachsen sind.
Was raten Sie Frauen, die diese Erfahrungen machen mussten?
Viele Frauen suchen ja dann die Schuld immer bei sich selber. Das ist aber der falsche Weg. Man sollte auch nicht darauf setzen, dass das ein einmaliger Ausrutscher war. Wer einmal diese Grenze überschritten hat, tut das auch sehr viel schneller erneut. Man sollte sich auf jeden Fall Hilfe von außen holen. Denn eines habe ich in meiner Funktion als Schirmherrin zu oft schon sehen müssen: Die körperlichen Wunden verheilen irgendwann, doch viel schlimmer sind die emotionalen, die seelischen Wunden. Die verheilen oft nie, die prägen dich ein ganzes Leben, ja, die zerstören auch oft dein ganzes Leben. Wer immer das erleben muss, sollte damit nicht allein umgehen, man braucht unbedingt professionelle Hilfe, um so etwas zu verkraften, denn diese Verbrechen geschehen ja meist in den eigenen vier Wänden. Dort also, wo man sich eigentlich am sichersten fühlen sollte. Und wenn es dann auch noch von einem Menschen passiert, den man eigentlich liebt, ist das gleich doppelt traumatisierend.
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