Raus aus dem Schatten: Vettel ist der neue Schumi
Das Comeback des Rekord-Weltmeisters gibt dem jungen Emporkömmling die Chance zu zeigen, dass er längst der bessere Pilot ist. Hier lesen Sie, was er seinem Vorbild schon voraus hat.
SHANGHAI Für Sebastian Vettel ist die Rückkehr von Michael Schumacher in die Formel 1 bisher ein absoluter Glücksfall.
Schon vor dem vierten Saisonrennen am Sonntag in Shanghai (9 Uhr, RTL und sky live) ist Vettel spätestens seit seinem Sieg vor zwei Wochen in Malaysia aus dem Schatten des mäßig in die Saison gestarteten Altmeisters gefahren.
„Baby Schumi“ wurde Vettel genannt, als er im Juni 2007 sein Debüt als Ersatzfahrer für den verletzten Robert Kubica bei BMW gab. Auch als Vettel letzte Saison beinahe den Titel gewann, wurde der 22-Jährige den Schatten Schumacher nicht los. Bei all seinen Erfolgen schwang immer auch die Frage mit, ob Vettel das gegen Schumacher auch geschafft hätte.
Nun können sie sich endlich auf der Rennstrecke duellieren – und auf Augenhöhe vergleichen.
Talent und Ehrgeiz
: Beide waren seit ihrer Jugend immer die Besten, sind am stärksten, wenn es regnet und haben die gleiche Art, die Boliden brachial durch die Kurven zu prügeln. Vettel mag zwar abseits der Strecke viel lockerer wirken als Schumacher, doch sobald er im Rennauto sitzt, verwandelt er sich wie Schumacher zum Renn-Kannibalen und kann ebenso wenig verlieren wie der 41-Jährige; unfaire Mittel verwendete er im Kampf mit den Rivalen bisher aber noch nicht. Schummel-Vettel hat ihn noch keiner genannt. Schumacher scheint mittlerweile etwas altersmilder geworden zu sein, übt sich in Geduld, lachte selbst nach seinem Ausfall in Malaysia noch. Weltmeister werden will er aber immer noch. Sein Ehrgeiz scheint ungebremst. Allerdings muss das nicht in diesem Jahr passieren.
Das Tempo:
Die Rennen werden heutzutage mangels Überholmöglichkeiten in der Qualifikation gewonnen. Vettel fuhr dabei bisher zwei Mal die Bestzeit ein. Schumacher dagegen musste bereits zugeben, noch „ein wenig eingerostet“ zu sein auf der Jagd nach der einen schnellen Runde, startete zwei Mal von Platz 7 ein Mal von Rang 8. Von dort aus gewinnt man heute kaum noch. Im Rennen aber holt Schumacher aus dem Silberpfeil das bestmögliche heraus.
Die Autos:
Vettels Red Bull ist das überlegene Auto im Feld – auch wenn es defektanfällig scheint. Schumis Mercedes GPW-01 ist zur Zeit wohl nur das viertschnellste Auto. Doch kein Rennstall entwickelt so schnell wie Mercedes; in Shanghai startet die Truppe um Superhirn Ross Brawn zum ersten Mal mit einem Heckflügel, das auf der Geraden, ähnlich wie bei McLaren, für eine höhere Höchstgeschwindigkeit sorgen soll.
Die Teams:
Vettel ist bei Red Bull der unumstrittene Boss, der Rennstall wurde personell um ihn herum gebaut. Vettel genießt beim Team des Dosen-Milliardärs Didi Mateschitz Privilegien, wie sie auch Schumacher einst bei Ferrari hatte – etwa, dass er zwei komplett freie Tage in der Woche vor jedem Rennen frei hat. Schumacher dagegen musste sich bei Mercedes ins Team integrieren, nicht umgekehrt: Er musste den Renningenieur nehmen, der frei war, muss relativ viele PR-Termine wahrnehmen – und hat in Nico Rosberg zum ersten Mal in seiner Karriere einen Teamkollegen, der wirklich gleichberechtigt behandelt wird und im Moment auch schneller ist als er. Vettel dagegen hat seinen zwölf Jahre älteren Kollegen Mark Webber recht locker im Griff.
P. Hesseler, F. Cataldo