Pechsteins Kampf
Die Eisschnellläuferin wehrt sich gegen die Vorwürfe, ihr Blut illegal manipuliert zu haben. Experten geben Claudia Pechstein wenig Chancen. Der Internationale Sportgerichtshof entscheidet
Von Florian Kinast
Am Wochenende zeigte Claudia Pechstein Dauerpräsenz. Interviews im Fernsehen, Besuche in Zeitungsredaktionen, Telefonate mit den Nachrichtenagenturen. Es war anstrengender als eine Mehrkampf-WM, denn nun ging es nicht um Medaillen. Sondern um mehr. Darum, die Nation von ihrer vermeintlichen Unschuld zu überzeugen.
Dabei wirkte ihre Charme-Offensive sonderbar. So perfekt geschminkt, wie sie im ZDF-Sportstudio hoch und heilig beschwor, nie gedopt zu haben; wie sie lächelnd da saß mit ordentlich Make-Up und Lippenstift, das passte nicht zu ihr. Bei Anni Friesinger wäre das nicht aufgefallen. Denn die schaut immer so aus. Die war im Eisschnelllauf schon immer das Glamour- Girl, Pechstein dagegen die Biederfrau. Spröde, schroff, schnippisch.
Was sicher auch am Sportsystem lag, in dem sie aufwuchs, hinter der Mauer. Ihr erster großer Sieg war bei der DDR-Jugendspartakiade 1985.
Ihr Trainer Achim Franke, ein Vertreter eisenharter Kaderschmiede, führte sie zu den fünf olympischen Goldmedaillen von 1994 bis 2006, für ihn ging es immer um Leistung, nie um die Show.
Und so wirkte es auch bei Pechstein gekünstelt, wenn sie ihren Körper für ein Lifestyle-Magazin golden einfärbte oder wie in Salt Lake 2002 eine schwarz-rot-goldene Perücke aufsetzte. Ihr Manager meinte, das sei witzig, tatsächlich sah Pechstein aus, als hätte sie einen dreifarbigen Putzlumpen auf.
Allen Schmutz wegzuwischen, sich als rein und sauber darzustellen, darum bemühte sie sich nun. „Ich bin oft getestet worden“, sagte sie, „eine verbotene Substanz wurde nie gefunden. Man konnte auch nichts finden, weil ich nie gedopt habe."
Ein Indizien-Urteil, schimpfte sie. Tatsächlich ist der Fall einzigartig im Sport, denn diesmal wurde ein Athlet nicht wegen eines positiven Befundes gesperrt. Pechstein wurde nur wegen des erhöhten Blutwertes (siehe unten) bei der WM in Hamar im Februar vom Weltverband ISU nun für zwei Jahre verbannt.
Pechstein und DESG-Präsident Gerd Heinze werfen dem Verband nun dubioses Gebahren vor. Dass die ISU Pechstein zugeredet habe, sie solle aus Hamar abreisen und der Öffentlichkeit von einem grippalen Infekt berichten. Und dass die ISU Pechstein anbot, den Fall zu vertuschen, sollte sie dafür ihre Karriere beenden.
Ein skandalöser Kuhhandel der ISU? Oder ein Aufbäumen Pechsteins, die sich mit Verschwörungstheorien weiter im Lügengestrüpp verheddert?
Die ISU wies Pechsteins und Heinzes Vorwürfe gestern zurück. Chefarzt Hans Kuipers legte noch nach und sagte, dass Pechsteins Blutprofil schon 2007 auffällig gewesen sei: „Damals konnten wir sie auf Basis der Tatsachen noch nicht sperren.“ Nun sei es durch die neue Blutprofil-Regel der Welt-Antidoping-Agentur WADA möglich.
Auch Doping-Experte Werner Franke hält Pechsteins Aussagen für unglaubwürdig. „Eine krankhafte Erhöhung der Retikulozyten scheidet für mich aus. Das ist hanebüchener Unsinn. Hier handelt es sich um eine manipulierte Erhöhung der Blutkörperchen.“ Das sagt der Wissenschaftler.
Was die Richter sagen, ist noch offen. Der Internationale Sportgerichtshof CAS in Lausanne muss nun entscheiden, ob die ISU-Sperre nur wegen der Blutwerte und ohne positiven Befund rechtens war.
Wird die Sperre bestätigt und Pechstein überführt, wäre es der tiefste Absturz eines deutschen Sportlers. Denn so hoch oben wie Pechstein saß auf dem Olymp sonst niemand. Dann wäre Pechstein enttarnt und demaskiert.
Dann helfen ihr nicht einmal mehr Make-Up und Lippenstift.
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