Pechstein: Bitte recht unfreundlich!
Claudia Pechstein darf nun doch starten und freut sich schon auf die Gesichter ihrer Kolleginnen: „Ich sollte vielleicht eine Kamera mitnehmen.“Besser nicht. Der Empfang wird kühl ausfallen.
SALT LAKE CITY Claudia Pechstein darf sich auf einen frostigen Empfang gefasst machen. Im verschneiten Salt Lake City erfuhr die Eisschnelllauf-Gemeinde am Frühstückstisch von der bevorstehenden Ankunft des Überraschungsgastes. Und bevor sich die fünfmalige Olympiasiegerin am Mittwoch auf den langen Weg zum möglicherweise letzten Rennen ihrer Karriere machte, fielen die Reaktionen vor Ort nüchtern aus. Oder es kamen erst gar keine.
Anni Friesinger-Postma wollte sich wie schon seit Wochen nicht zur Situation ihrer alten Rivalin äußern, die nach einer Entscheidung des Schweizer Bundesgericht trotz bestehender Dopingsperre am Freitag (gegen 21.45 Uhr MEZ) am 3000-m-Rennen teilnehmen darf. Daniela Anschütz-Thoms blieb zurückhaltend: „Auf meinen Wettkampf hat das keinen Einfluss – außer, dass sie eine weitere Konkurrentin ist.“ Die Erfurterin hatte gemeinsam mit Pechstein und Friesinger-Postma 2006 in Turin Team-Gold geholt.
Unterkühlt waren die Kommentare aus dem niederländischen Lager, das den Dopingfall der Deutschen von Beginn an kritisch begleitet hatte. „Ich will an dieses Thema keine Energie verschwenden. Ich habe nicht das Bedürfnis, mich mit ihr auszusprechen. Ich habe genug mit mir selbst zu tun“, sagte 3000-m-Weltmeisterin Renate Groenewold. Dann fügte sie im möglichst zweideutigen Tonfall hinzu: „Ich wäre nicht überrascht, wenn sie sehr schnell sein würde.“
Auch Olympiasiegerin Ireen Wüst hielte es für „dumm, wenn wir uns von ihr ablenken ließen“. Sie habe in dieser Sache „keine Gefühle“. Vor allem wohl mit Blick auf ein Wiedersehen mit Friesinger-Postma und die Oranje-Stars hatte Pechstein am Dienstag gesagt: „Auf die Gesichter bin ich gespannt. Ich sollte vielleicht eine Fotokamera mitnehmen.“ In Norwegen, wo Pechstein lange trainiert hat, scheinen die Pechstein-Kritiker mittlerweile zu überwiegen. Das Blatt „Verdens Gang“ startete auf seiner Website eine Umfrage, ob es korrekt sei, dass die Berlinerin in Salt Lake City starten darf. Weit über 70 Prozent sagten nein.
Vor allem aber rief die Entscheidung des Schweizer Bundesgerichts Überraschung hervor. „Nach gefühlten 1000 abgelehnten Eilanträgen hätte ich damit nicht mehr gerechnet“, sagte Anschütz-Thoms. Auch Bundestrainer Markus Eicher zeigte sich „nach den Entwicklungen in dieser unendlichen Geschichte sehr überrascht“. Vielleicht sollte Pechstein ein Foto von seinem Gesicht machen, wenn sie kommt.
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