Patrick Esume - "Trump gießt Öl ins Feuer"
Der deutsche American-Football-Experte und Trainer Patrick Esume spricht in der AZ über das Niederknien der Spieler bei der Hymne und kritisiert den US-Präsident: "Die Politik benutzt den Sport".
AZ: Herr Esume, das Thema, das derzeit die Football-Welt bewegt, ist der Hymnen-Protest der NFL-Profis und damit die Rassismusdebatte. Hätten Sie gedacht, dass Sie vom Sport-Experten zum Politologen werden?
PATRICK ESUME: Eigentlich nicht, aber man muss sagen, dass Politik im Sport was zu suchen hat, besonders wenn die Politik den Sport benutzt. Das ist das, was Donald Trump gemacht hat. Es ging eigentlich los mit Colin Kaepernick, der auf die Diskriminierung von Schwarzen und auf die Polizeigewalt aufmerksam gemacht hat. Aber es ist bezeichnend, was jetzt daraus geworden ist. Es geht nur noch um den Respekt vor der US-Hymne, vor der Flagge. Aber über das eigentliche Problem, dass unschuldige schwarze Menschen von der Polizei erschossen werden, darüber spricht niemand mehr.
Sie waren selbst in den USA, haben in der NFL trainiert. Wie würden Sie reagieren, wären Sie noch im Geschäft?
Genauso, wie ich hier reagiere. Ich bin für den Protest und auch für die Art des Protestes. Weil es eine friedliche Aktion ist. Das würde ich unterstützen. Es gibt ja auch viele Trainer, die das unterstützen – und das ist auch legitim.
Damit wären Sie aber einer dieser – entschuldigen Sie den Ausdruck – "Hurensöhne", wie Trump die Spieler beschimpft, die bei der Hymne knien.
Naja, als Trainer ist es noch mal was anderes. Vielleicht hätte ich eine andere Art des Protestes gewählt als Kaepernick. Aber sein Protest ist legitimund daran ist auch nichts verwerflich. Aber auch wenn ich es anders gemacht hätte, ich wäre wohl trotzdem laut Trump ein Hurensohn gewesen (lacht).
Wie groß ist denn das Rassismus-Problem in den USA?
Dass es ein aktuelles Thema ist, steht außer Frage. In Zentren wie New York oder Chicago ist es vielleicht unterschwellig, aber wenn man etwas rausgeht, ist es immer da und auch nicht gemindert. Gerade durch die Trump-Ära fühlen sich viele dazu aufgerufen, das mehr zum Ausdruck zu bringen.
Kaepernicks Proteste begannen schon, bevor Trump gewählt wurde. Befeuert wird das Thema aber erst jetzt, gerade durch seine Äußerungen.
Natürlich, er hat ja reichlich Öl ins Feuer gegossen. Ob das nun seine Beschimpfungen waren oder die Drohungen gegen die NFL. Auch als er nach der Katastrophe in Charlottesville nicht klar Stellung bezogen hat gegen Nazis, die mit Schlagstöcken und Hakenkreuz-Binden rumlaufen. Das Problem hat zwar nicht mit Trump angefangen, aber wenn der Führer dieser Nation so viel Öl ins Feuer gießt, ist das nicht zuträglich.
Wären Sie NFL-Champion, würden Sie einer Einladung ins Weiße Haus folgen?
Auf gar keinen Fall!
Machen Sie Erfahrungen mit Rassismus auch in Europa, etwa in Frankreich, wo sie die Nationalmannschaft betreuen, oder hier in Deutschland?
Das ist nicht vergleichbar. Nichtsdestotrotz habe ich hier in Deutschland Erfahrungen mit Rassismus gemacht. Wir sagen gerne: "Oh, der Trump, wie peinlich." Aber Vorurteile gibt es hier genauso. Nicht so offensichtlich, aber sie sind da.
Zu erfreulichen Dingen: Sie haben ein Buch geschrieben mit dem Titel "Believe the Hype". Sind sie selbst überrascht ob der Footballbegeisterung, die nun in Deutschland herrscht?
Es ist teilweise absurd. Ich habe das Buch mit der Intention geschrieben, diesen Hype zu erklären, zu beleuchten, warum der Sport so faszinierend ist. Aber dass das Buch in der Spiegel-Bestseller-Liste auftaucht, und auch noch auf Platz eins landet, daran hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht gedacht.
Maßgeblich zum Hype beigetragen hat auch die Sendung "ranFootball", bei der Sie als Experte fungieren. Was ist das Erfolgsgeheimnis?
Es ist das Produkt als solches. Und die Art, wie die NFL die Liga vermarktet, welche Bilder sie generiert und wie sie es dem Fan erlaubt, nah ranzukommen. Ran schafft es mit der Zusammenstellung der Leute, der Experten, etwas Stimmiges, etwas Echtes zu schaffen. Das ist kein zusammengewürfelter Haufen, sondern eine gute Mischung. Mittlerweile ist es fast eine Institution.
Warum hält sich die Begeisterung für den Football in Deutschland noch in Grenzen?
Da waren die Recherchen wohl nicht gut genug (lacht). Die Vereine in Deutschland haben einen irren Zulauf, es wurden Klubs aus dem Boden gestampft, wo es weit und breit keinen Football gab. Die Kids wollen das spielen, was sie im Fernsehen sehen. Aber bezüglich der deutschen Liga, der GFL, gebe ich Ihnen recht. Dort hat man es noch nicht geschafft, den Hype zu nutzen. Die Basis aber stimmt.
Leider gibt es immer weniger deutsche Spieler in der NFL, aktuell sind es nur drei. Der Begeisterung tut das aber keinen Abbruch.
Das liegt daran, dass der Hype nichts damit zu tun hat, ob der Spieler deutsch, afrikanisch oder amerikanisch ist. Die Welt im 21. Jahrhundert ist durch Facebook, Instagram so klein geworden. Die Kids haben ihre Idole – und da ist es egal, ob man am anderen Ende der Welt sitzt. Denn mittlerweile kann man sich mit den Spielern einfach wahnsinnig gut vernetzen.
Natürlich bitten wir Sie noch um einen Experten-Tipp. Wer kämpft um den Super Bowl?
Momentan tippe ich auf Kansas City und Green Bay.
Warum läuft’s bei den New England Patriots noch nicht?
Weil ihre Defense unterirdisch spielt. Das wirkt sich auch auf die Offense aus. Wenn die Defense so viele Punkte zulässt und so lange auf dem Platz steht, klebt ein Tom Brady an der Seitenlinie und die eigene Punkteausbeute ist geringer. Aber die Patriots kommen noch, da bin ich mir sicher.
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