Olympia-Kolumne von Martina Ertl: Undankbare Tradition
Wenn eine mitfühlen kann, wie es in einem aussieht, der in einem olympischen Rennen den undankbaren 4. Platz erzielt hat, dann bin durchaus ich diese Person. Gleich dreimal ist mir dies geschehen. In Nagano erzielte ich gleich zweimal vierte Plätze - im Slalom und Riesenslalom. Und in Lillehammer war es die Abfahrt, bei der ich - wie jetzt Kira Weidle - mit dem 4. Platz denkbar knapp am Podium vorbeischrammte.
Lena Dürr und Weidle stehen demnach in einer Tradition, in die man sich nicht unbedingt einreihen möchte. Wäre es ein Weltcuprennen gewesen, würden sich die Experten mit Lob ob der guten Leistung überschlagen. Bei Olympischen Spielen überwiegen mitleidige Blicke und Schulterklopfer zur Aufmunterung. Ja, bei den Spielen geht es um Edelmetall - und wenn einem dieses knapp vor dem Ziel durch die Hände rinnt, versinkt man im Zielraum am liebsten im Boden und hadert mit der Welt.
Ein Rennen, das man auch nach Jahren nicht aus dem Kopf bekommt
Auch ich hadere, zumal Kira bei der letzten Zwischenzeit auf Medaillenkurs lag und dann, als alle Schwierigkeiten in dem sehr schnellen Kurs mit Bravour absolviert waren, beim Gleiten Zeit verlor - so sehr, dass ich ein wenig Zweifel habe, ob das Material nicht ein wenig schlechter war, als es hätte sein sollen. Es war ein Rennen, das du auch nach Jahren nicht aus dem Kopf bekommst, vor allem, wenn du dich nicht mit einer anderen Medaille trösten kannst - so, wie es Gott sei Dank bei mir war.
Keine olympische Entscheidung, ohne die Heldinnen zu rühmen: Corinne Suter aus der Schweiz ist eine würdige Siegerin. Sofia Goggia ist Respekt zu zollen. Nach ihrer Verletzung am Knie hat sie sich in diese Abfahrt geworfen, als ob es kein Morgen gäbe. Silber dürfte sich für sie wie Gold anfühlen. Italien jubelt dann auch noch über die nicht erwartete Bronzemedaille von Nadia Delago. Spannender hätte die Frauenabfahrt nicht sein können.
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