Olympia 2016: Machtpoker um Milliarden

Copacabana, Wolkenkratzer, Kaiserpalast oder doch ein Olympia-Turnier im Fußball-Tempel Bernabeu? Rio, Chicago, Tokio und Madrid geizen im Endkampf um die Olympischen Spiele 2016 nicht mit ihren Reizen. Bis zum Votum am Freitag in Kopenhagen haben die Bewerber Zeit, mit ihren Präsidenten und Sportstars Stimmen von den IOC-Mitgliedern zu sammeln.
US-Präsident Barack Obama, Chicagos prominentester Wahlhelfer, kommt als Letzter und geht, bevor der Gewinner feststeht. „Ich erwarte maximal zwei Stimmen Unterschied“, sagte IOC-Präsident Jacques Rogge, der am Freitag (18.30 Uhr/Eurosport live) im Kongresszentrum „Bella Center“ die Siegerstadt verkünden wird: "Kein Bewerber hinkt hinterher. Alles ist möglich.“ Im Schluss-Spurt um den Milliarden-Preis sind die Metropolen in ihren Unterschiedlichkeiten vereint. Der IOC-Prüfbericht bescheinigte allen Kandidaten, hervorragende Spiele veranstalten zu können. Viele der Olympier sind von Rios Zauber berauscht und scheinen bereit, ein geopolitisches Statement zu machen. Brasilien, 2014 bereits Ausrichter der Fußball-WM, wäre der erste Olympia-Gastgeber aus Südamerika. „Für die Universalität der Spiele wäre es toll, auf einen neuen Kontinent zu gehen, aber nur, wenn wir sicher sind, dort passt alles“, erklärte IOC-Spitzenfunktionär Denis Oswald.
Fifa-Präsident und IOC-Mitglied Joseph Blatter hat die Olympia-Hoffnungen von Rio de Janeiro indes etwas getrübt. Die Gewalt könne die Chancen der brasilianischen Metropole bei der Vergabe der Spiele 2016 mindern, sagte der Schweizer. „Das ist nicht gut für die Kandidatur Rios, aber wegen der (Fußball-)WM mache ich mir keine Sorgen.“ Durch den Obama-Faktor hat Chicago den Rückstand auf die Traumstadt am Zuckerhut deutlich verringern können. Wie eine Heilsbringerin schwebte First Lady Michelle Obama am Mittwochmorgen in Dänemarks Hauptstadt ein und war gleich am Nachmittag mit einigen IOC-Mitgliedern verabredet. Spätestens durch die Ankündigung seiner Fünf-Stunden-Blitzvisite hat ihr Gatte die Ambitionen ihrer gemeinsamen Heimatstadt endgültig zur Chefsache gemacht. Der charismatische Hobby-Basketballer wird am Freitag als erster US-Präsident eine Kandidatenstadt in den jeweils 70-minütigen Schluss-Präsentationen vor der IOC-Vollversammlung vertreten. Chicago beginnt, gefolgt von Tokio, Rio und Madrid.
Auch der mächtigste Mann der Welt bereitet sich gründlich auf die bedeutendste Wahl des Weltsports vor. Obama soll sich mit Präsident Jacques Rogge und anderen IOC-Granden über seine Kopenhagen-Pläne ausgetauscht haben. Auch IOC-Vizepräsident Thomas Bach bekam einen Anruf aus Washington. „Das stimmt. Er stellte sich vor und sagte, die Gründung des Olympia-Büros in Washington sei Ausdruck seiner engen Beziehung zu den Spielen“, bestätigte Bach das zehnminütige Gespräch. Chicago und Obama geben alles, um nach St. Louis (1904), Los Angeles (1932/1984) und Atlanta (1996) zum fünften Mal die Sommerspiele in die USA zu holen. „Obamas Besuch macht gar nichts, absolut gar nichts“, tönte Rios Bewerbungschef Carlos Nuzman, „wir haben Lula.“ Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva, von Obama als „populärster Politiker der Welt“ bezeichnet, setzte nach seiner Ankunft den emotionalen Wahlkampf fort, und auch Pelé pries das Rio-Konzept „Liebe Deine Leidenschaft“ auf seine Weise. „Rio hat null Probleme“, sagte der 68-Jährige bei einem Straßenkick mit dänischen Jugendlichen. Rios geplantes Investitionsvolumen für Olympia in Höhe von 14 Milliarden Dollar oder die vom IOC angemahnte kritische Sicherheitslage seien keine Probleme.
Stimmen für Rio oder Chicago versprechen dem IOC beträchtliche Mehreinnahmen durch einen lukrativeren Deal mit dem US-Fernsehen, das aus beiden Städten Live-Bilder zur besten Sendezeit anbieten könnte. Der TV-Gigant NBC hat allein für die Spiele 2012 in London 1,2 Milliarden Dollar hingeblättert. Bei Tokio, schon 1964 Olympia-Stadt, oder Madrid drohen Verluste in dreistelliger Millionenhöhe. Unbeirrt davon weisen Tokios Olympia-Planer auf das kompakte Sportstätten-Konzept und ein revolutionäres Umwelt-Projekt hin. Madrid wird nach zwei vorausgehenden Olympischen Spielen in Europa (London 2012, Sotschi 2014) trotz des Beziehungsgeflechts von IOC-Ehrenpräsident Juan Antonio Samaranch ohnehin als Streichkandidat gehandelt. Bei einem Ausscheiden der Madrilenen in der ersten Abstimmungsrunde würde auch der „Deal“ greifen, den Rio und Spaniens König Juan Carlos offenbar geschlossen haben: Die Stadt, die zuerst ausscheidet, bekommt die Stimmen der anderen.