„Nur noch pervers“

Der Skisprung-Aussteiger Frank Löffler, der heute als Personalberater bei einem Maschinenbauer am Bodensee arbeitet, über das Hungern und das Versagen im System: „Kollektiv wegschauen“
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"Hungern hat mich irre gemacht": Der Skispringer Frank Löffler, der 2004 seine Karriere beendete.
Baumann/Augenklick "Hungern hat mich irre gemacht": Der Skispringer Frank Löffler, der 2004 seine Karriere beendete.

Der Skisprung-Aussteiger Frank Löffler, der heute als Personalberater bei einem Maschinenbauer am Bodensee arbeitet, über das Hungern und das Versagen im System: „Kollektiv wegschauen“

AZ: Herr Löffler, 2004 haben Sie Ihre Karriere beendet, nach heftiger Kritik am, so wörtlich, „Hunger-Diktat“ im deutschen Team. Überraschen Sie die Aussagen von Martin Schmitt, nun, 2010?

FRANK LÖFFLER: Nein. Es belegt das riesengroße Versagen der letzten Jahre. Sie haben Gewichtsregeln eingeführt, aber die waren reine Augenwischerei, um den Imageschaden zu minimieren. Gebracht haben sie nichts.

Immerhin gab es klare Vorgaben.

Ja, aber die sind leicht auszuhebeln. Ist man unter dem Limit, muss man halt kürzere Skier nehmen, damit verliert man aber weniger Weite als bei fünf Kilo mehr Gewicht. Nein, es ist alles unter den Teppich gekehrt worden. Auch bei Trainern, Funktionären, Physiotherapeuten. Die müssen das doch fühlen, wenn sie die Springer in der Hand haben, die Beckenknochen sehen und spüren. Es hat einfach ein kollektives Wegschauen stattgefunden. Das führte dazu, dass Martin so ausgemergelt ist.

Warum, meinen Sie, äußerte er sich jetzt?

Janne Ahonen hat in seinem Buch das Thema ja neu aufgegriffen. Ich denke, Martin hat es jetzt gereicht, darum fasste er sich ein Herz. Er will ja nicht hungern, er muss einfach nur, damit er noch Chancen hat auf Spitzenplätze. Dass man nicht mehr essen darf, nur um weit zu fliegen, das ganze Thema ist nur noch pervers. Ein gewaltiger Schaden für den ganzen Sport. Welche vernünftigen Eltern stecken denn ihr Kind denn noch in so einen Sport hinein!

War es bei Ihnen als Kind auch schon schlimm?

Nein, erst als ich mit 18 in den A-Weltcup kam und die Teller meiner Kollegen sah, wusste ich, dass das ein gewaltiger Unterschied zum B-Weltcup ist, und dass die nächsten Jahre ein zähes Ding würden. Aber ich kam mit Hungern nicht klar, Hunger hat mich irre gemacht. Ich war eher der athletische Typ. Aber dann hat Wolfgang Steiert (Ex-Bundestrainer, d. Red.) mir klar gemacht, dass ich im Sommer vier Kilo abnehmen müsse.

Was müsste sich denn nun ändern?

Anhebung des BMI um zwei Punkte ohne das Schlupfloch mit der Verkürzung der Skier. Bei Verstoß drastische Sanktionen, Bußgelder oder Sperre.

Viele Springer, die rein physiognomisch leichter sind, klagen, ein höherer BMI sei ein Nachteil für sie.

Das ist nur eine faule Ausrede. Jeder ordentliche Fitnesstrainer schafft es, bei einem Spitzensportler den BMI von 20 auf 22 anzuheben.

Haben Sie Ihren Rücktritt jemals bereut?

Nein, ich habe viel Solidarität von den Kollegen erfahren. Wenn ich jetzt Martin höre, bin ich froh, ausgestiegen zu sein. Weil es mir zeigt, dass sich nichts geändert hat. So hatte ich sechs Jahre, in denen ich mehr Gesundheit und Lebensqualität genießen durfte. Und keine sechs Jahre, in denen ich hätte leiden müssen.

Interview: Florian Kinast

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