"Nie ohne 110 Prozent": Der AZ-Check vor dem Eishockey-Viertelfinale
Das Leitmotiv der laufenden Eishockey-Weltmeisterschaft in Finnland lautet: Making Miracles. Wunder wahr werden lassen quasi. Die deutsche Nationalmannschaft hat sich dafür in die Position gebracht.
Die Auswahl um Bundestrainer Toni Söderholm trifft am Donnerstag im Viertelfinale auf Tschechien. Zum Vorrundenabschluss gab es eine 3:4-Niederlage nach Penaltyschießen gegen die Schweiz und damit Rang zwei in der Gruppe. Stürmer Marcel Noebels: "Eine gute Ausgangsposition."
Ruppige WM-Derby gegen die Schweiz als Standortbestimmung
Das teils ruppige WM-Derby war eine Standortbestimmung für den DEB, was jetzt noch geht. Die Eidgenossen gelten ja als heißer Titelkandidat. Doch der deutsche Star Moritz Seider hatte schon vor der Partie offen ausgesprochen: "Wir wollen Titel." Doch ist das realistisch? Die AZ macht den Stockerl-Check.
Die Deutschen hielten im bisherigen Turnierverlauf gegen jeden Gegner zumindest gut mit. Gegen die beiden Topgegner unterlagen sie - was aber jeweils auch anders hätte ausgehen können. Gegen Titelverteidiger Kanada, meinte Seider, "waren wir über 35 Minuten besser oder mindestens gleich auf". Nach dem Spiel gegen die Schweiz war Bundestrainer Toni Söderholm sauer über zwei "katastrophale Entscheidungen" der Unparteiischen, die einmal zufolge hatten, dass sich der DEB ein Tor fing, statt selbst eines zu schießen. "Das ist unentschuldbar."
Noebels: "Haben sehr viel Selbstvertrauen"
Noebels: "Wenn ich sehe, dass wir gewinnen hätten können, bin ich positiv gestimmt, dass wir gar nicht so schlechte Turnierchancen haben. Wir haben sehr viel Selbstvertrauen." Seider wollte auch gar nicht auf die Konkurrenz blicken: "Wir haben so viel Qualität in unserer Kabine, da brauchen wir nur links und rechts schauen." Mit Philipp Grubauer hat das deutsche Team ja einen Star im Tor. Der körpergewaltige Seider reift mit nur 21 Jahren zu einem Superstar heran. Die Mischung aus hungrigen Youngsters und Routiniers passt.

Doch der DEB hätte noch besser sein können. Während der Erzrivale zum Beispiel auf den Unruheherd Timo Meier von den San José Sharks baut, spielen die drei besten Stürmer mit deutschem Pass nicht (mehr) bei der WM: Leon Draisaitl (NHL-Playoffs), Brooks Macek (DEB-Pause) und Tim Stützle.
Seider über den verletzten Kameraden: "Bitter. Tim ist ein essenzieller Spieler von uns. Wir müssen enger zusammenwachsen und den Verlust verkraften - und daraus Energie ziehen." Praktisch wie im Schlussdrittel gegen die Schweiz, als Denis Malgin den Ellbogen in Leon Gawankes Gesicht parkte - und der DEB das Foul per Tor beantwortete.
DEB: Unterzahlspiel muss besser werden,
Was in der K.o.-Runde besser werden muss: das lasche Unterzahlspiel. Die individuellen Fehler im Aufbau. Und generell die Eröffnung: Phasenweise finden die Deutschen gegen den Forecheck des Gegners kaum aus der eigenen Zone. Gelingt der Pass raus, entfacht der DEB direkt selbst Druck aufs Tor.
Die Deutschen haben bereits ihre Qualitäten gezeigt. Die Nervenstärke: Vier Spiele gewannen sie im Turnier mit einem Tor Vorsprung. Auch stark: der Fleiß, die Rollenverteilung, die Chancenauswertung über alle vier Reihen und das Powerplay - alles medaillenreif. Routinier Korbinian Holzer zur K.o.-Runde: "Wir müssen wieder alles raushauen. Wir können uns kein Spiel erlauben, wo wir nicht 110 Prozent geben."
Das ist der Joker: die emotionale Kraft, von der Bundestrainer Söderholm schon sprach. Gelingt es dem DEB, Schlagbereitschaft, Wille, Geduld und Selbstvertrauen nun dreimal binnen vier Tagen abzurufen, ist auch gegen Kracher wie Finnland, Schweden und Tschechien viel drin. Sogar Wunder könnten dann wahr werden.
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