Nico Rosberg - bald im Mercedes?
Der Sohn des früheren Weltmeisters ist bei Williams unzufrieden. Vater Keke bereitet alles vor für einen Wechsel
MÜNCHEN Welch ein Murmeltiertagleben. „Ich wache jeden Morgen auf", sagt Jenson Button, „und denke: ‚Du führst die Formel 1-WM an'. Das ist unfassbar.“
Für einige von Buttons Kollegen dürfte das morgendliche Aufwachen wesentlich unspektakulärer ablaufen. Nico Rosberg etwa muss seit mittlerweile vier Jahren mit dem Gefühl aufwachen, mit der WM-Entscheidung in der Formel 1 nichts zu tun zu haben.
Auch sein aktueller Williams ist schlicht zu schlecht. Beim Europaauftakt in Barcelona war nicht mehr drin als Rang acht für den Sohn von Ex-Weltmeister Keke Rosberg. „Heutzutage muss man mit einem Punkt zufrieden sein“, sagt Rosberg senior, der als Premiere-Experte den Vollgaszirkus begleitet, und ergänzt: „Die Rennen, in denen Nico mit dem Auto gar keine Punkte mehr holen wird, werden später kommen.“
Rosberg junior gilt gemeinhin als hochtalentiert, der polyglotte Weltmeister-Sohn mit Wohnsitz in Monte Carlo kann dieses Potential, ähnlich wie vor dieser Saison Button, aber nicht zeigen. Zwar gilt er mittlerweile als bester Poker-Spieler im Feld – in der Fahrer-WM liegt er aber nur auf Rang zehn.
Schon vor dem Rennen am Sonntag hat Rosberg darum begonnen, sich bei anderen Teams vorsichtig nach Cockpits für die nächste Saison zu erkundigen. Gleichzeitig lobt Rosberg aber bei jeder Gelegenheit seinen finanzschwachen Rennstall, um von der bitteren Lage abzulenken und in Ruhe den Abgang vorbereiten zu können. „Ich Freude mich, dass ich wieder um Punkte fahre“, strahlte der 23-Jährige in Barcelona wirksam in die TV-Kameras.
Sein Vater Keke bereitet unterdessen alles für einen Wechsel vor und weiß genau, wie man vorgehen muss. Im finnischen TV erklärte er nach der Qualifikation: „Platz 18 für Heikki Kovalainen – solche Leistungen kann man ja nicht mehr schönreden.“
Damit ist die Zielrichtung klar: Kovalainen fährt für McLaren-Mercedes, das Wunschteam der Rosbergs. Der Finne muss sich wohl nach einem neuen Arbeitsplatz umsehen, denn selbst Anthony Hamilton, Vater von Weltmeister Lewis, sagt: „Wir bräuchten einen Fahrer, der Lewis fordert – und nett soll er auch noch sein.“
Rosberg erfüllt beide Kriterien. Er ist mit Hamilton befreundet – und auch Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug ist ein Fan von ihm. Und wenn es mit dem Silberpfeil nicht klappt, kann es trotzdem ein Mercedes sein. Denn die Stuttgarter rüsten ja auch Brawn mit Motoren aus. Und dort dürfte Rubens Barrichello nach seinen Stallorder-Vorwürfen an das Team eher unten durch sein bei Boss Ross Brawn. Nächstes Jahr wird Button wohl einen neuen Kollegen an seiner Seite haben – Nico Rosberg?
Wie Rosberg ist auch Adrian Sutil ein Freund Hamiltons. Zwischen den Rennen wird oft gemeinsam geurlaubt. Der Gräfelfinger hat nach zwei Jahren im Team Force India die Nase voll. Wieder einmal startete er in Barcelona aus der letzten Reihe. Crash, null Punkte. Sutil ist ehrgeizig. „Natürlich ist die Situation frustrierend", sagt er und bewahrt nur mühsam die Contenance: „Ich muss nach vorne, egal wo.“ Damit ist ein Teamwechsel gemeint. Sutil bestätigt: „Für mich ist jede Runde eine Bewerbungsrunde.“
Damit auch er irgendwann wieder mit einem Lächeln aufwachen kann.Peter Hesseler