"Nicht mal ein halber Harry Kane": Bierhoff kritisiert mangelndes Budget für Leistungssportler

Was haben Oliver Bierhoff, Bayern-Basketballer Oscar da Silva und Beate Wagner, die Mutter der NBA-Stars Franz und Moritz Wagner, gemeinsam? Auf den ersten Blick nichts. Doch alle drei sind Teil der Maschinerie Leistungssport. Und genau über dieses System diskutierten sie am Donnerstagabend im Seehaus im Englischen Garten.
"Gewinner und Verlierer" – Bierhoff fordert klare Ansagen
Vor allem Bierhoff redete sich in Rage. "Das können die Journalisten gerne schreiben", begann der ehemalige DFB-Manager einen mehrminütigen Monolog auf dem Podium. Klar, dass nun die über 100 geladenen Gäste genau hinhörten. "Ich bin ein absoluter Leistungsfreund", outete sich Bierhoff. Der Haken, so der 57-Jährige: "Leistung ist in unserer Gesellschaft immer so ein bisschen Gleichmalerei." Den Leuten fehle aktuell der Mut, "zu sagen, das ist ein Gewinner und das ein Verlierer." Der Leistungssport zeige, dass solch klare Ansagen eine Wirkung haben.
"Aber aktuell wird alles ein bisschen in Watte gepackt", kritisierte Bierhoff weiter. Seine unmissverständliche Botschaft: Leistungswillige Menschen sollen mehr gefördert werden. Und der Begriff Leistung wieder in einen positiven Kontext gesetzt werden. "Menschen, die bereit sind zu leisten, sollen keine Angst haben, das zu benennen", so der eigens betitelte "Feind der Gleichmalerei".
Bayern-Basketballer da Silva: "Ist der Förderung von Hochleistungssportlern hinderlich"
Gleicher Meinung war übrigens auch da Silva. Der Korbjäger, der neben der Karriere ein Studium an der Elite-Uni Stanford absolvierte, münzte es auf den Sport um: "Alle Menschen zu einem Brei zu machen, ist der Förderung von Hochleistungssportlern hinderlich.“ Es brauche den Wettkampfgedanken."Wenn jemand Leistungssportler werden will, muss er das Konzept von Gewinnen und Verlieren schon verinnerlicht haben", betonte da Silva. Ansonsten würden Erfolge ausbleiben.

Um das Leistungsprinzip den Menschen wieder stärker einzuimpfen, sind laut Bierhoff schon die Eltern gefragt. "Wenn ich mit meinem Vater im Flur Fußball gespielt habe, hat er mich nie mit Absicht gewinnen lassen", konkretisierte der Berater des Football-Teams New England Patriots sein Anliegen. Rückblickend habe ihm das geholfen, die Karrieretiefs zu überstehen. Aber nicht nur die Eltern nahm Bierhoff in die Verantwortung, auch die Schulen. "Wenn Kinder die Initiative ergreifen, in ein Trainingslager zu gehen, sollte man sie unterstützen", bemängelte er.
Amerikanisches System als Vorbild
Bestes Beispiel: die USA. In kaum einem anderen Land wird der Leistungssport vom Bildungssystem so stark unterstützt. In den Staaten werden leistungswillige Talente mit Sportstipendien belohnt. Auch gehören American Football, Basketball oder Baseball zum festen Programm an Schulen und Universitäten. Für die Wagner-Brüder, mittlerweile beide bei Orlando Magic, der Grund, ihr Heimatland zu verlassen.

Dass es Jahre dauern würde, ein ähnliches System in Deutschland zu etablieren, ist sich Bierhoff freilich bewusst. "Wenn man in die Qualität der Trainer und die Infrastruktur investiert, geht das nicht von heute auf morgen", so der Europameister von 1996. Trotzdem: Das Budget der Deutschen Sporthilfe für Leistungssportler, im vergangenen Jahr 23 Millionen, sei zu wenig. "Das ist nicht mal ein halber Harry Kane", monierte Bierhoff. "Und das für Leistungssportler, die Vorbilder sind."
Bierhoff: "Dann werden lustigerweise alle wach"
Was zur Initialzündung führen könnte? "Häufig brauchen wir irgendwelche Symboliken, damit man etwas macht", antworte Bierhoff auf AZ-Nachfrage. Ein Turnier wie Olympische Spiele wäre so etwas. Das zeigten laut Bierhoff die Engländer bei den Sommerspielen 2012. Dort kam es im Vorfeld zu einer leistungsfördernden Umstrukturierung. "Wir sollten es eigentlich unabhängig davon machen, aber wenn so was kommt, werden lustigerweise alle wach."