Neuer Weltmeister: Gekrönter Zeuge

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Potsdam - Genau 19 Sekunden vor Schluss hatte Tyron Zeuge mit seinen Fäusten die Entscheidung darüber, ob er sich als Box-Weltmeister feiern lassen könnte, aus den Händen der Punktrichter genommen. Mit einem finalen linken Haken schlug er den bisherigen Titelträger des Verbandes WBA, den Italiener Giovanni de Carolis, fast durch die Ringseile. Ringrichter Roberto Ramirez nahm de Carolis aus dem Kampf und machte Zeuge damit zum – verdienten – Champion. „Das ist nur geil“, sagte der 24-Jährige, der sich auf besondere, berlinerische Art belohnen wollte: „Ich werde jetzt erstmal Pommes mit Currywurst essen. Und ich werde feiern. Mit meinem Team, meiner Freundin. So lange, wie ich eben durchhalte.“
Für Zeuge war es die „Erfüllung meines Kindheitstraums“. Für seine Promoter eine extreme Erleichterung. Der 76-jährige Wilfried Sauerland, Chef des Boxstalls, für den Zeuge boxt, stürmte ebenso in den Ring wie seine Söhne Kalle und Nisse, die den neuen Weltmeister managen. Kalle Sauerland holte sich dabei die einzige blutende Verletzung des Kampfes – er hatte sich beim Jubeln die Lippe aufgeschlagen. Das hielt ihn aber nicht davon ab, große Sprüche zu klopfen. „Tyron ist ein Aushängeschild des Boxens in Deutschland – Hut ab vor dieser Leistung. Den Kampf hätte Steven Spielberg nicht besser inszeniert, das war wie aus einem Drehbuch für einen Rocky-Film. Die letzten 48 Stunden waren für das deutsche Boxen sehr wichtig. “
Denn am Freitag war der millionenschwere Fernsehvertrag des Boxstalls mit Sat.1 verlängert worden. Am Samstag hatten sie einen weiteren Weltmeister – den zweiten neben Jack Culcay – in ihren Reihen. Und einen, dem die Zukunft gehören könnte. Denn die alten Herren des Boxstalls – Arthur Abraham (36), Jürgen Brähmer (38), der auch als Trainer für Zeuge fungiert – sind über ihren Zenit und zurecht nur noch Ex-Weltmeister. „Wie sich Tyron durchgequält hat, verdient großen Respekt“, sagte Wilfried Sauerland. Vor allem, weil Zeuge aus den Fehlern aus dem ersten Kampf gegen de Carolis gelernt hat, als ihm im Juli ein Unentschieden geschenkt worden war. Zeuge war schneller, variabler, boxte klug. „Zeuge war heute der Stärkere“, gestand der entthronte Champion fair ein: „Er schlägt zwar nicht so hart wie Arthur Abraham, doch er hat eine enorme Dynamik.“
Der dynamische Zeuge verfügt zudem über erfrischende Offenheit. Die Tatsache, dass er der zweitjüngste Weltmeister der Historie (nach Graciano Rocchigiani im Jahre 1988) ist, sei ihm „scheißegal“, verkündete er im Ring. „Hauptsache, ich bin Weltmeister!“ Er ist der 23. Deutsche, der sich diese Bezeichnung im Ring verdient hat. „Es war ein mitreißender Kampf, einer der Glanzpunkte heuer aus deutscher Sicht. Die waren in dem Jahr ja spärlich“, sagte Sat.1-Boxkommentator Tobias Drews der AZ, „ich denke, dass Zeuge in den nächsten Jahren für einige sehr interessante Kämpfe sorgen kann.“
Einer könnte sehr bald anstehen: gegen Arthur Abraham. Der hatte seinen Titel im April nach einer blamablen Vorstellung in Las Vegas an den Mexikaner Gilberto Ramírez verloren. Abrahams Trainer, Uli Wegner, meinte: „Zeuge hat eine tolle Moral bewiesen und eine große Karriere vor sich.“ Abraham eher eine große Karriere hinter sich. Doch er will unbedingt nochmal Champion werden: „Wenn mein Manager den Kampf will, mache ich ihn.“ Und Zeuge? Der wolle erst mal nur Urlaub machen. „Ich werde mit einem Muskelkater aufwachen und sehr glücklich sein. Wenn irgendetwas wehtut, bleibe ich im Bett liegen.“
Aber jetzt eben als Weltmeister.
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