„Nächstes Jahr gibt’s nur eins — den Titel!“

Mit 18 fährt Stefan Bradl auf dem Motorrad der Konkurrenz voraus. Im AZ-Sportgespräch erklärt sein Vater, welche üblen Manöver der Sohn auszuhalten hat – und warum nur „die größte Sau“ Weltmeister wird.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Jubeln will Stefan Bradl noch öfters. Zeit hat er: Er ist erst 18.
ap Jubeln will Stefan Bradl noch öfters. Zeit hat er: Er ist erst 18.

Mit 18 fährt Stefan Bradl auf dem Motorrad der Konkurrenz voraus. Im AZ-Sportgespräch erklärt sein Vater, welche üblen Manöver der Sohn auszuhalten hat – und warum nur „die größte Sau“ Weltmeister wird.

Von Florian Kinast

ZAHLING Vergangenen Sonntag feierte Stefan Bradl in Japan seinen zweiten Saisonsieg. Vor den letzten drei Rennen liegt der 18-jährige Motorrad-Pilot in der 125er-Klasse auf Rang 3. Wie schon in Japan muss Stefan Bradl auch beim Grand Prix von Australien am Sonntag auf seinen Vater verzichten. Der ist daheim in Zahling.

AZ: Herr Bradl, nach dem ersten Saisonsieg Ihres Sohnes im August in Brünn kündigten Sie zur Feier des Tages den Verzehr von drei Weißbier an. Wie viele waren es letzten Sonntag?

HELMUT BRADL: Gar keins. Um vier in der Früh mag ich noch kein Bier und Schampus auch nicht. Ich hab’s mit meiner Frau im Fernsehen angeschaut und drei Cappuccino getrunken.

Schlafen konnten Sie dann wohl nicht mehr.

Hätte ich auch so nicht können. Ich war viel zu aufgewühlt. Ich hab mit dem Stefan telefoniert, dann hab ich mir um acht nochmal die Zusammenfassung angeschaut. Ein großartiges Rennen vom Stefan. In Brünn hat er schon sein Meisterstück gemacht. Jetzt hat er gezeigt, dass er auch in Japan der Chef im Ring war. Er hat das Zeug zu einem neuen Hero. Diese Saison wird es wohl noch nichts mit der WM. Aber nächstes Jahr gibt’s nur noch eins – den Titel!

Warum sind Sie denn eigentlich nicht mit? Hat Ihr Sohn gesagt: „Papa, bleib jetzt endlich mal daheim?“

Nein. Und wenn er das gesagt hätte, hätt’ ich kein Problem damit gehabt. Das ging von mir aus. Ich habe einfach die Fliegerei durch die Weltgeschichte satt. Außerdem kann der Stefan auch mal ohne mich fahren. Inzwischen geht das. Er hat heuer einen gewaltigen Sprung gemacht. Er ist gereift vom jungen Mann zum Erwachsenen.

Gestärkt durch die vielen Rückschläge der letzten Jahre, als er bei KTM oder Repsol gefeuert wurde?

Sicher. Das hat ihn abgehärtet, und es hat gezeigt, dass solche Teams halt keine Ahnung haben. Keine Ausdauer, einen Jugendlichen zu fördern, ihn aufzubauen. Auch darum tut es mir gut, wenn der Bub jetzt so gut fährt und Rennen gewinnt. Da können die sich mal an die eigene Nase fassen und überlegen, was sie falsch gemacht haben.

Klingt nach Genugtuung.

Eine absolute Genugtuung. Wenn die nur ein bissl Hirn hätten, dann könnten sie mal drüber nachdenken, was sie alles falsch gemacht haben. Dass ich als Vater etwa nicht erwünscht war, dass ich den Stefan nicht begleiten sollte. Dabei ist halt jeder anders, und der Stefan braucht nun mal ein familiäres Umfeld. Gerade damals. Ich habe im Vorfeld ja auch nicht gewusst, ob ich alles richtig mache, aber jetzt habe ich die Bestätigung. Unser Weg war schwer und steinig, aber er war gut. Jetzt ist Stefan ein ernstzunehmender Fahrer für die Konkurrenz.

Woran spürt man so etwas?

Das merkt Stefan draußen auf der Strecke. Respektiert wirst du, wenn die anderen im Rennen mit ihrer Maschine dein Motorrad anrempeln. So kleine Nickligkeiten. Das ist ein Zeichen, dass sie dich ernst nehmen. So alte Haudegen wie der Talmacsi oder di Meglio versuchen natürlich, die Jungen niederzuhalten.

Archaische Revierverteidigung wie im Tierreich.

Ganz genau. Da sind die Platzhirsche, die sich gegen die aufmüpfigen Jungen behaupten müssen. Aber die Alten werden auch älter und stehen dann von Jahr zu Jahr mehr auf der Abschussliste.

Bleiben wir bei den Viechern, vor Saisonbeginn sagten Sie, Weltmeister wird der, der die größte Sau ist. Wie viel Sau ist Ihr Sohn schon?

Die größte noch nicht, wobei es ja mir nur wichtig ist, dass er nicht den Boden verliert. Junge Menschen glauben ja immer an das Gute, das ist ja auch in Ordnung, aber die Realität ist in der Welt doch anders. Es gibt immer und überall Schlitzohren, da bist du ganz schnell in der Mühle drin, dass dich irgendwer abzocken will. Davor will ich ihn bewahren.

Wie viel lässt er sich als 18-Jähriger von seinem Vater noch sagen?

Das ist ja bei jedem anders. Es gibt die, die sich mit Gewalt abnabeln und dann von einem Fettnapf in den nächsten reinsteigen. Der Stefan ist zum Glück so schlau, dass er meine Vorschläge noch annimmt. Er hört auf mich, bis jetzt zumindest. Ich weiß ja auch nicht, was übermorgen ist.

Wie schnell es im Leben gehen kann, sahen Sie ja am fürchterlichen Motorradunfall Ihres Bruders, der dabei vor einem halben Jahr seinen Unterschenkel verlor.

Das war sehr schwer für uns alle. Wenn deinem Bruder oder dem Onkel so was passiert, da bist du erst einmal down. Aber wir haben gleich gesehen, dass auf der Straße eher sowas passieren kann als im Rennen. Meinen Bruder hat damals ja auf der Landstraße ein besoffener Autofahrer von der Maschine runtergefahren. Dass dich einer übersieht, gut, das gibt es auch im Rennen. Aber dann fliegst du halt ab und landest im Sturzraum, und der Arzt ist auch gleich da.

Die Angst um Ihren Sohn hat das also nicht verstärkt?

Überhaupt nicht. Ich kann da gut trennen. Auf der Rennstrecke ist er gut aufgehoben, da ist er sicher aufgeräumt. Lieber ist er im Rennen schnell, als wenn er auf der Straße mit der Maschine mit 200 durch die Wälder jagt und plötzlich fährt ein Bulldog raus.

Wie geht es Ihrem Bruder jetzt?

Mentale Probleme kommen immer. Bis die Prothese gescheit passt, bis er wieder halbwegs vernünftig gehen kann. So wie früher wird es eh nicht mehr, aber er verkraftet das ganz gut. Er macht seine Reha, arbeitet in unserem gemeinsamen Motorradgeschäft im Büro. Das geht auch. Da kann er sitzen. Da muss er nicht den ganzen Tag umeinander laufen.

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.