Mit einem Ritt zu Legenden

Die Olympischen Spiele 1956 machten Springreiter Hans Günter Winkler und Halla zu Stars. Hier erinnert er sich an das Turnier, Olympia ’72 – und erklärt, worauf es beim Umgang mit Pferden ankommt.
von  Interview: Joscha Thieringer
Das Turnier seines Lebens: Trotz Leistenbruch reitet Hans Günter Winkler 1956 auf Halla zu Gold.
Das Turnier seines Lebens: Trotz Leistenbruch reitet Hans Günter Winkler 1956 auf Halla zu Gold. © dpa

Die Olympischen Spiele 1956 machten Springreiter Hans Günter Winkler und Halla zu Stars. Hier erinnert er sich an das Turnier, Olympia ’72 – und erklärt, worauf es beim Umgang mit Pferden ankommt.

 

Herr Winkler, 1972 haben Sie bei Olympia in München mit der deutschen Springreit-Equipe die letzte Ihrer fünf Goldmedaillen gewonnen. Am Sonntag, 40 Jahre später, werden Sie bei den Munich Indoors den Preis „Rider of the year“ überreichen. Auch ein besonderer Moment für Sie?

HANS GÜNTER WINKLER: Ich bin ja schon sehr geübt in diesen Dingen. Ich komme jedes Jahr nach München und habe schon viele Ehrungen vorgenommen. Aber ich bin sehr gespannt, wer in diesem Jahr das Rennen machen wird.

München ’72 müsste Ihnen doch sehr in Erinnerung geblieben sein, oder?

Natürlich. Durch den schrecklichen Überfall auf die israelische Mannschaft werden diese Spiele für immer ein besonderer Moment in der Geschichte bleiben. Aber es sollte nicht vergessen werden, dass die Spiele aus sportlicher Sicht überragend waren.

Dabei gab es zuvor unter den deutschen Springreitern einige Querelen. Einige haben gegen Ihre Nominierung protestiert.

Eine Nominierung vor einem solchen Ereignis im eigenen Land ist nie leicht. Ich war damals 20 Jahre die Nummer eins im deutschen Springsport, da ist es doch klar, dass die Jungen aufbegehrten, als sie ihre Chance witterten.

Neben Ihnen durften auch die mittlerweile verstorbenen Fritz Ligges, Hartwig Steenken und Gerd Wiltfang an den Start gehen. Gab es während der Spiele Ärger im Team?

Nein, ab dem Zeitpunkt als wir gemeinsam unser Quartier betraten, waren wir eine Gemeinschaft. Aus vier Menschen wurden Freunde. Als erste Amtshandlung im Bungalow kam Fritz zu mir und sagte: „Weißt du, was mich schon immer an dir gestört hat? Deine Frisur!“ Und dann hat er mir den Scheitel auf die Seite gezogen – so trage ich die Haare noch heute.

Beim Einzelspringen in Riem, bei dem Sie nicht starteten, ging Deutschland trotz hoher Erwartungen leer aus.

Jeder hatte sich viel vorgenommen, nichts klappte – aus nervlichen Gründen. Medien und Zuschauer bauten einen riesigen Druck auf und den Rest besorgten sie selbst. Aus kaltblütigen Kämpfern wurden plötzlich ängstliche Jungs. Für mich dagegen waren es die fünften Spiele, ich war im Team der Ankerhaken.

Derjenige, der die Mannschaft im Olympiastadion doch noch zum ersehnten Gold führte.

Es reichte letztlich, weil bei meinen Kameraden die Luft da schon raus war. Und weil die Amerikaner mit dem Wassergraben nicht zurechtkamen. Wir haben ja nur mit einem Viertelpunkt Vorsprung gewonnen.

Ihr Ritt auf Halla, die als Wunderstute gilt, 1956 bei Olympia gilt als Ritt des Jahrhunderts. Sie wurden damals ein internationaler Star, weil Sie trotz Leistenbruch und starker Schmerzen den Parcours meisterten. Sie ließen sich von Halla zu Gold tragen.

Na ja, ganz so einfach war das nicht. Halla ließ sich mit ganz kleinen Bewegungshilfen steuern. Als sie zu mir kam, galt sie als nicht geeignet für den Springsport. Sie hatte das Chassis eines Formel-1-Wagens – nur ohne Lenkrad, Gas und Bremsen. Ich habe zwei Jahre Arbeit investiert, um sie zu dem zu bringen, was sie 1956 zeigte. Ich musste Halla viel gut zureden.

Zureden? Nicht bereiten?

Beides. Aber es gehört ganz selbstverständlich dazu, dass man mit den Tieren spricht. Ich spreche viel mit Pferden.

Und was sagen Sie denen?

Es kommt auf den Ton an. Halla hat mich verstanden, sie hatte eine hohe Intelligenz. Meine Schmerzensschreie in Stockholm haben sie damals zusätzlich angespornt. Durch diesen Ritt wurden Halla und ich zu Legenden. Diese Gemeinschaft, das hatte nichts mit Kampf zwischen Mensch und Pferd zu tun, das mochten die Leute.

Halla starb 1979 im hohen Alter von 34 Jahren. Wie oft denken Sie noch an sie?

Das ist mein täglich Brot! Halla hat ein Denkmal in Warendorf und ich werde heute noch überall auf sie angesprochen. So sehr hat sie die Herzen der Menschen bewegt.

Wie hat sich der Springsport seit Ihrer Zeit entwickelt?

Na hören Sie mal, Sie stellen ja lustige Fragen! Das ist, wie wenn Sie Autos von damals mit heute vergleichen. Das waren früher Ackergäule, heute sind es dagegen hochgezüchtete Maschinen.

 

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