"Mir fehlt die Motivation"

Hier spricht Verena Bentele über die Gründe für ihr Karriereende mit 29 Jahren, was die Vergabe der Olympischen Spiele 2018 damit zu tun hatte und Schwierigkeiten im neuen Berufsleben.
Christoph Landsgesell |
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Verena Bentele - eine der erfolgreichsten Wintersportlerinnen überhaupt. Nun sagt sie servus.
dpa Verena Bentele - eine der erfolgreichsten Wintersportlerinnen überhaupt. Nun sagt sie servus.

Hier spricht Verena Bentele über die Gründe für ihr Karriereende mit 29 Jahren, was die Vergabe der Olympischen Spiele 2018 damit zu tun hatte und Schwierigkeiten im neuen Berufsleben


AZ: Frau Bentele, Sie sind 29 Jahre alt, haben bei den Paralympics in Vancouver fünf Goldmedaillen gewonnen. Jetzt treten Sie zurück. Warum denn das?

VERENA BENTELE: Ich habe mein Studium beendet und arbeite jetzt. Ich habe gemerkt, wie schwierig es ist, Profisport und Beruf zu kombinieren. Es ist gut, was ich im Sport erreicht habe. Ich hatte viele tolle Fans, Erfolg, habe interessante Menschen getroffen. Aber jetzt ist es Zeit, eine neue Herausforderung anzunehmen.


Die Fans, Ihre Erfolge: Werden Sie das nicht vermissen?

Und wie! Ich bin schon wehmütig. Ich habe mich zwar ganz bewusst dazu entschlossen aufzuhören, es fühlt sich auch richtig an. Aber jetzt, da es endgültig ist, habe ich schon das Gefühl, dass mir etwas fehlt. Der Profisport bietet so viele tolle Erlebnisse. Das sind Wahnsinns-Gefühle. Das nach der aktiven Karriere so noch zu erleben, ist schon schwierig.


Wo arbeiten Sie jetzt?

Einerseits bin ich freiberuflich, halte für Firmen Vorträge zum Thema Motivation und Kommunikation, außerdem mache ich eine Coaching-Ausbildung. Da ist Sport ein gutes Mittel, um auch komplizierte Zusammenhänge gut zu zeigen. Das will ich nutzen. Daneben arbeite ich für die Schulsportstiftung in Baden-Württemberg. Dort organisiere ich gerade einen Wintersport-Wettkampf für behinderte Jugendliche. Dafür bin ich gelegentlich in Stuttgart, mein Lebensmittelpunkt bleibt aber München.


Wie schwer fiel Ihnen die Entscheidung, aufzuhören?

Sie ist in den vergangenen Monaten gereift, ich musste mich schon dazu durchringen. Es hätte viele Argumente gegeben, um weiterzumachen: Ich bin noch recht jung und hätte das bestimmt noch einige Jahre machen können.


Fehlte die Motivation?

So wie vor Vancouver, als ich nach meinem schweren Skiunfall einen unbedingten Willen hatte, zurückzukommen und alles dem Sport unterzuordnen: Diese Motivation habe ich einfach nicht mehr. Das hat mich am Ende auch dazu bewogen zu sagen: Dann ist jetzt der richtige Moment zu sagen: Das war’s. Heute am Dienstag, dem ersten Tag nach dem Rücktritt, ist es schon hart.


Sie haben sich ja auch für die Olympischen Spiele und die Paralympics 2018 in München eingesetzt. Hätte ein positives Ergebnis etwas an Ihren Karriereplänen geändert?

Ja, dann wäre die Entscheidung deutlich schwerer gewesen und wäre vielleicht auch anders ausgefallen. Es hätte mich schon sehr angemacht, dort zu starten.


Nach den Goldmedaillen in Vancouver und den vielen persönlichen Ehrungen, die seitdem folgten, hat Ihre Popularität enorm zugenommen.

Mich kennen immer mehr Leute, das finde ich interessant. Ich selbst halte mich nicht für einen Star und hoffe auch, dass ich mich durch diesen sportlichen Erfolg nicht großartig verändert habe. Was mir aufgefallen ist: Mich grüßen immer mehr Leute auf der Straße und sprechen mich auf Vancouver an. Schön, wenn man so eine Rückmeldung bekommt und Menschen daran Anteil nehmen.


Sport werden Sie wohl weiterhin machen.


Ich suche immer nach Herausforderungen. Diese Jahr bin ich auf einem Tandem um den Genfer See geradelt, das sind 180 Kilometer. Ich werde auch Langlaufen gehen, aber es wird wohl deutlich weniger. Die Organisation ist für mich beim Langlaufen schwierig. Ich brauche immer einen Begleitläufer, das können nicht so viele. Um eine gute Loipe zu finden, muss man aus München ein Stück herausfahren.


Bei den Wettkämpfen war ja bislang alles auf Sie und die anderen blinden Sportler ausgerichtet. Wie wird das jetzt im Berufsleben, erwarten Sie da Nachteile?

Durch meine Popularität fange ich glücklicherweise nicht bei null an, ich habe dadurch Aufträge bekommen. Der Konkurrenzkampf ist nun ein anderer. Die Bedingungen, die bei den paralympischen Wettkämpfen herrschten, muss man sich selbst schaffen und mit Qualität auftrumpfen. Ich merke, dass ich manchmal Nachteile habe. Zum Beispiel wenn’s darum geht, Situationen schnell zu erfassen und sich zu orientieren. Wenn ich in einem großen Raum voller Menschen bin, kann ich nicht einfach auf jemanden zugehen. Das sind Kleinigkeiten, aber da muss man sich mit viel Energie und Selbstbewusstsein um sich kümmern.

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